Hurra, wir leben noch

Es fällt mir nicht leicht, aber ich tue jetzt einfach mal so, als sei nix gewesen. Als sei diese schröckliche, pan-dämonische Zeit, durch die wir gerade gemeinsam irrlichtern, nur ein irrer, wirrer, völlig abstruser Albtraum. Anders gesagt, ich versuche mal, mich vollkommen auf Hertha zu fokussieren.

Also: Nächste Woche soll die Saison dann doch irgendwie losgehen, klassischerweise mit der ersten Pokalrunde. Mit dem kürzlich aufgestiegenen BTSV Braunschweich haben wir vermutlich eins der undankbarsten Lose erwischt, wobei, in der momentanen Verfassung ist wohl jeder Gegner eine Herausforderung. Es ist wie verhext: Da haben wir mal einen Haufen Kohle zur Verfügung, können aber nix damit anfangen. Weil alle Welt weiß, dass wir dank unseres windigen (gääähn) Investors vollhängen wie ein überreifer Pflaumenbaum  – was natürlich eine Schimäre ist, solange an jedem Kicker, der einen Pass halbwegs geradeaus spielen kann, Mondpreisschilder bammeln.

So schön das neue Trikot auch sein mag (jedenfalls solange sich kein peinlicher Sponsor findet), alleine damit lockt man noch keinen Neymar nach Berlin. Wobei die Mannschaft, statt weiterer Schönspieler-Talente, einen anderen Spielertypus vertragen könnte: räudige Haudegen, furchtlose Blutgrätscher, fiese Pferdelungen und allesamt verlängerte Trainerarme. So was in der Art.

Momentan sehe ich lediglich eine Ansammlung von Versprechen auf zukünftige Glanztaten, was soweit auch in Ordnung wäre, wenn die Saison frühestens Weihnachten starten würde.

Ich beneide fast ein bisschen unsere lieben Brüder im GEiste. Die knappsenden Schaaaalker haben dank jahrelanger Misswirtschaft die Erwartungen auf unter Null drücken können, chapöchen. Das hat offenbar soviel Mitleid erregt, dass Herr Ibivesvic dortselbst fast für umme angeheuert hat. Entweder hat unser Ex-Leader bereits genug Asche auf die Seite gepackt und kann es sich leisten oder der Kollege wollte noch mal ne Botschaft loswerden. Wie genau die Trennung hierzulande vonstatten ging, weiß ich nicht (abgesehen von dem Fakt, dass sein Vertrag auslief), aber so ganz werde ich das Gefühl nicht los, dass der Wechsel und die fast schon provokativ zur Schau gestellte Bescheidenheit ein Seitenhieb auf seinen letzten Brötchengeber ist. Ein Schelm, wer in diese Personalie zu viel reininterpretiert, aber ich wollte es einfach mal gesagt haben.

Ich will nicht verschweigen, dass ich mich trotz allem um ein Ticket fürs erste Heimspiel beworben habe. 4000 werden angeblich unters Volk gebracht, was mir nicht ganz einleuchtet, wenn selbst Union 5000 ins wesentlich kleinere Forsthaus reinlässt. Wat solls, als treuer Staatsbürger sage ich mir: Hände an die Hosennaht, wird schon seine Richtigkeit haben!

In den Genuss (!?) der wenigen Tickets wird vorläufig nur die Schnittmenge aus den rund 35.000 Mitgliedern und 20.000 Dauerkarteninhabern der letzten Saison kommen, was ich als Mitglied und DK-Stammkunde natürlich gut finde. Ich hätte es allerdings auch charmant gefunden, wenn man die Karten unter den rund 4000 Unentwegten verteilt hätte, die an einem vermutlich nasskalten 19. Februar 1994 ein mutmaßlich wenig inspirierendes 0:0 (trotz Nico Kovac) gegen den FC Carl Zeiss Jena mitansehen mussten. Okay, okay, war nur sone Schnapsidee.