Es führt kein Weg an Leicester vorbei

Jetzt hätten wir also wieder die Zuschauer-Diskussion am Hacken. Die kommt ja immer pünktlich, wenn Hertha auf der Erfolgswelle surft. „Nur 40.000 gegen Ingolstadt – Wann wacht die Hauptstadt endlich auf?“ echauffieren sich die Leisetreter aus Axel Cäsars Nachrichtenfabrik. Ich kann das Geplärre nicht ganz nachvollziehen. 40.000 gegen Ingolstadt (who the fuck?!), noch dazu bei Märzkälte in der olympischen Frischluftarena, diese Zahl erscheint mir für Berliner Verhältnisse fast schon sensationell hoch. Ich erinnere gerne auch nochmal daran, dass bei Hertha immer auch jede Menge Gästefans unterwegs sind, mehr als anderswo. Sofern der Gegner über ein solches Potential verfügt. Ingolstadt bringt nun mal nicht so ville auf die Reihe, wie man sich auch vorher denken konnte. Gegner wie der HSV oder letzte Woche S04 sind von ganz anderem Kaliber. Da wären gestern gut und gerne 60.000 gekommen. Ich sage voraus: Wenn zum letzen Heimspiel Darmstadt anreist, wirds bestimmt auch voller, schon deshalb, weil es nicht mehr so kalt ist. Und natürlich wegen Sandro Wagner.
Also schön halblang, ihr Wahrheitsfetischisten von der Aufklärer-Presse. Mir ist das eh Wurscht. Ich bin so gut wie immer da, obs stürmt oder schneit, ob die Alte zum Gotterbarmen rumstümpert und sich für die Zweite Liga bewirbt oder Zuckerzauberfussball zelebriert und Meisterträume reifen lässt.
Gestern wars wie häufig so ein Mittelding. Gefährlich wars vor allem deshalb, weil der Gegner von der Sorte Muss-man-Schlagen bzw. Kann-man-sich-nur-Blamieren war. Zuletzt war von Hamburg aus zu vernehmen, Ingoltown spiele eklig, widerwärtig, fies und gemein. Aus der Entfernung ist das schwer nachvollziehbar, aber ein unangenehmes Gefühl war auch Samstag in Block K zu spüren. Man kennt ja außer Morales von den sich Schanzer nennenden niemand wirklich. Für uns Laien sind das alles Nobodys, die unseren Stars ans Standbein pinkeln wollen. Richtige Bauern eben. Ein Zufalls-Bundesligist. Schon der Name abstoßend: FCIihhh!
Darüberhinaus ist so ein Gegner psychologisch hochbrisant und kreuzgefährlich. Stichworte Understatement, Unterschätzung, Hasenhüttl. Ironischerweise ging unserem Führungstor ein Foul von Skjelbred voraus, der bei Hertha noch am ingolstädtischsten spielt. Im Stadion hatte ich die gefürchtete Knöchelsense des Norwegers kaum wahrgenommen. Wobei ich Fouls von Herthaspielern eh nicht oder nur selten als solche wahrnehme. Dagegen empfinde ich die Aktionen des Gegners, wie brillant sie auch sein mögen, überwiegend als unfair. Vor allem, wenn sie besser sind. Stichwort Bayernschweine, Dortmundärsche, Barcasäue.
Es scheint überhaupt mal wieder eine Saison zu sein, in der wir kaum oder gar nicht verlieren können. Wir sind regelrecht auf Platz drei festgetackert. Zur Champions League verdammt. Der Blick auf die Tabelle verrät: Selbst wenn wir in Gladbach verlieren sollten – rein statistisch nicht ganz unwahrscheinlich – können die Abdeckfohlen uns nicht überholen. Schalke (who the fuck!!??) sowieso nicht. Ingolstadts Co-Trainer Michael Henke (58) soll angeblich auf dem Weg in die Kabine getobt haben: „Du wirst hier nur beschissen! Weil die Hauptstadt ja Champions League spielen muss.“ Kann man auf einem kommerziellen Internetportal nachlesen, wird wohl ein Körnchen (mindestens) Wahrheit dran sein.
Champions League soll es also sein. Ja mei, wenns denn unbedingt sein muss. Ich frage mich nur, wie ich die ganzen Spiel-Termine wahrnehmen soll. Hertha am Wochenende, Hertha am Dienstag, Hertha am Mittwoch. Was das auch wieder alles kostet. Bin leider immer noch kein Scheich. Könnte natürlich meinem wichtigsten Brötchengeber sagen, ich sei ja beklanntermaßen Hauptstädter und wie gefordert aufgewacht, schon seit Jahren übrigens. Da könne ich doch jetzt nicht aus heiterem Himmel einfach einschlafen und die alte Hertha im Stich lassen. Außerdem eine Gehaltserhöhung, bitteschön, sonst muss ich zu oft in die Kneipe und Freibierchen gibts schließlich auch nicht alle Tage.