Die bessere Hälfte eines ziemlich besten Freundes wollte mal wissen, ob ich wüsste, wie viele Hertha-Spiele ich in meinem Leben schon live gesehen habe. Da musste ich leider passen. Die Mühe, all die verlorenen Nachmittage im Olympiastadion oder sonstewo zu protokollieren, habe ich mir dann doch nicht gemacht. Wie oft ich mir das Gestocher auf des schönen Rasens Grün angetan haben, könne ich allerhöchstens grob überschlagen, habe ich geantwortet.
Also: Angefixt wurde ich in der Saison 1974/75 (Rückrunde) gegen TeBe (2:1) und VfL Bochum (4:2), danach bin ich sporadisch jede Saison ins Olympi gepilgert, das ging dann in den 80ern so weiter, trotz Pubertät und sportlicher Tristesse. Meine erste Dauerkarte habe ich mir in der unseligen Saison 1990/91 geholt. Die ist mir in der Rückrunde zu meiner Erleichterung abhanden gekommen, danach fühlte ich mich nicht mehr genötigt, die restlichen Saisonspiele abzureißen, wir waren ohnehin so gut wie abgestiegen. Seit dem Aufstieg 1997 habe ich mir jedes Jahr ein Dauerticket geholt und mir nahezu jedes Heimspiel angetan, auch international, Pokal, watweeßick, dazu ein bis zweimal pro Saison ne Auswärtsfahrt, als Abwechslung. So, jetzt sind die Mathematiker unter Euch gefragt! Ich behaupte schon mal: das läppert sich …
Wie dem auch sei, an all die vergeudeten Stunden musste ich denken, als ich letzten Samstag das zweite Heimspiel unter verschärften Hygienebedingungen miterleben durfte. Wie wohl meine persönliche Bilanz aussieht, schoss es mir durch den Schädel, während unter mir die Blauweißen Recken die Last der BigCityClub-Erwartungen vergeblich zu stemmen versuchten? Wie viele Siege, Remis, Pleiten? Wie oft Krampf, Graupen und Grumpenspiele? Wir oft war ich bekifft und/oder betrunken? Wie oft habe ich mich über die mosernden Nachbarn geärgert? Wie oft selbst unflätig gelästert?
Diesmal war ich vorm Spiel stocknüchtern, nach dem Spiel ernüchtert. Das nächste Spiel lasse ich ausnahmsweise mal aus, vermutlich können sich unsere Top-Fachkräfte dann noch besser aufs Wesentliche konzentrieren, als mit dieser fleischgewordenen Pappkameradenkulisse im Hintergrund. Und noch ein Licht ging mir auf: Dieser kesse Claim, „Die Zukunft gehört Berlin“, ist ziemlich tricky. Einerseits clever, weil man stets auf einen dereinst strahlenden Morgen vertröstet wird, andererseits frustrierend, weil die Gegenwart – auf die es ja eigentlich ankommt – demnach nie nicht uns gehört. Sollte vielleicht mal jemand Jens Lehmann stecken, damit der unseren Goldesel informiert.