Schreck lässt nach

Wenn die blauweiße Hertha spielt, steht bei mir normalerweise nix anderes im Terminkalender. Hochzeiten, runde Geburtstage, unerwartete Todesfälle – Shit happens, aber bitteschön nicht, wenn die Alte spielt. Umso überraschter war ich von mir selbst, dass ich am vergangenen 3. Spieltag eine krasse Ausnahme gemacht habe. Echt wahr, ich habe mich tatsächlich dazu durchgerungen, mir statt der wöchentlichen Ration Fußball eine Auszeit im Kino zu gönnen. Der neueste Zombiefilm sollte es übrigens sein, thematisch besteht also durchaus ein Bezug zu den aktuell etwas leblosen Darbietungen unseres 127-jährigen Lieblingsvereins.
Ganz einfach fiel es mir trotzdem nicht, zugegeben. Ich hätte liebend gerne einen anderen Termin gewählt, als ausgerechnet Sonnabend, 15.30 Uhr. Aber der von meiner Flamme und mir favorisierte Fleischfresserstreifen lief außerdem nur noch um 21 Uhr irgendwo jwd (zudem wird er bald abgesetzt), das passte mir als werktätigem Sonntagsarbeiter noch viel weniger ins Konzept. Meine Liebste trifft übrigens keine Schuld, sie hätte allergrößtes Verständnis gehabt, es war echt meine höchsteigene Entscheidung. Ich hatte mir vor der Kino-Zusage sogar eine Nacht Bedenkzeit erbeten, ich war, wie man sich unschwer denken kann, hin- und hergerissen.
Wie dem auch sei, ich habe die Entscheidung nicht bereut. Nicht, weil der Zombiefilm so ein Kracher gewesen ist, nur um das klarzustellen. Nach dem Ende der Vorstellung habe ich selbstredend sofort via Smartphone den Ergebnisdienst konsultiert – und bin fast ausm Kinosessel gerutscht. 0:3 und zwei Eigentore??!!?? Wobei, wenn ich es mir recht überlege, dann machen die beiden Eigentore das ganze noch einigermaßen erträglich. Nicht auszudenken, wenn die abgehalfterten Kohlenmunks aus eigenem Vermögen dreimal gegen uns getroffen hätten.
Von dem anfänglichen Schock habe ich mich relativ schnell erholt, ich kann dem ganzen Dilemma mittlerweile sogar etwas Positives abgewinnen. Allerdings erst so richtig, nachdem die aufmüpfigen Unioner den selbsternannten Meisterschaftsanwärter abgefidelt hatten. Köpenick im Mittelfeld, wir aufm Abstiegsplatz, das ist mal ein Zwischenstand, der unseren Realitätssinn schärfen sollte. Ich sehe es auch ein bisschen als Klapps auf den Hintern für die Undankbarkeit, die Pal Dardai von den unverbesserlichen Moserköppen nachgeschleudert wurde. Vier Jahre Sorglosigkeit waren so verkehrt nicht und die regelmäßigen Rückrunden-Einbrüche vielleicht auch Spiegelbild der tatsächlichen Leistungsfähigkeit. Unter Ante sollte alles besser werden und nun das. Kein Wunder, dass das schlichte Fußballvolk überfordert ist.
Nein, von mir gibt’s keine Häme. Nach drei Spielen ein Urteil zu fällen, das ist Aufgabe der Milchmädchenrechner in den Sabberlatzforen, sollen sie dort jammern, klagen, rumheulen. Ich hingegen fände es eine supersuperfeine Ironie, wenn wir am Ende absteigen und Union qualifiziert sich für Europa. Keine Angst, wir kommen ja wieder. Ich habs gerade im Kino gesehen, wie hieß der Film nochmal? Ach ja, „The Dead don’t die“.