Nebenkriegsschauplätzchen

Keine Sonne gesehen, damals in Leipzig. Muss man leider so sagen, gibt’s nix dran zu deuteln. Ist aber auch nicht so schlimm, Herthachen steht immer noch fett überm Soll. Der Aufreger war diesmal auch nicht sportlicher, sondern verbaler Natur. Ein Transparent mit primitiver Grußbotschaft an Ralle Rangnick. Hatte ich gar nicht mitgeschnitten, erst via Twitter, wo die professionell Aufgeregten sogleich öffentlich Satisfaktion verlangten. Tenor: GESCHMACKLOS, WIDERLICH, EMPÖREND. Da wusste ich noch nichts über den Inhalt. Als ich endlich das Beweisfoto entdeckte, konnte ich ein gewisses Diskrepanzgefühl zwischen dem Aufschrei der Empörten und dem Inhalt des Spruchbands innerlich nicht verhehlen. Klar, das Sprüchlein war weder originell noch intelligent oder sonstwie interessant pointiert, sondern lediglich plumpes Halbstarkengehabe. Eigentlich keinen Kommentar wert, aber jut, so tickt das Pressewesen nun mal. Skandal, Skandal. Am meisten zum Nachdenken brachte mich allerdings die Aussage von Pal Dardai, der, darauf angesprochen, sinngemäß meinte: „Finde ich nicht gut, weil das bringt Unglück.“ Für solche Sätze liebe ich ihn noch mehr.
Und ich hoffe inbrünstig, dass wir mit dem Ausfall von Mitch Weiser und dem restlichen Spielgeschehen in der Heldenstadt das Unglücksstrafmaß ausgeschöpft haben. Ansonsten erwäge ich ernsthaft, mal ein Spruchband an die Adresse unserer Ostkurven-Literaten abzusondern. Zur Auswahl stehen diese beiden: „Lieber Hertha in Rosa als Knallköppe-Prosa“ oder „Nochn Spruch, Doppelhalter-Bruch.“ Voll lustig, wa?! Vermute nur, die Herren Ultra-Dichter lassen sich von derlei Humoresken wenig beeindrucken. Trotzphase, da kommt man mit Argumenten nicht gegen an, das erledigt der Zahn der Zeit. Die Hoffnung liegt auf der nächsten Generation.
Klar, pinke Trikots, Umzug nach Brandenburg, Brauseball, das ist für eingefleischte Traditionalisten ein büschen viel auf einen Haps. Ick komm ja ooch kaum noch hinterher. Japs, japs, schnauf, röchel. Hertha reagiert natürlich erstmal typisch autoritär. Ab jetzt Spruchband-Kontrolle, so wurde es verkündet. Kritik ist erlaubt, aber nur noch oberhalb der Gürtellinie. Ist das pädagogisch geschickt? Nimmt die Ostkurven-Belegschaft die intellektuelle Herausforderung an? Wir werden es sicher erfahren, vielleicht schon am Mittwoch, wenn es pünktlich zur Wintersonnenwende heißt: Lilienpflücken im Olympiastadion!