Kurve auf die Couch

Nach dem Abpfiff wollte ich mal wieder nur nach Hause, habe daher nicht mehr mitbekommen, ob sich Fans und Mannschaft wieder angenähert haben. Stunden später habe ich irgendwo aufgeschnappt, dass die Spieler sich den üblichen Gang vor die Kurve diesmal wohl verkniffen haben. Nach dem Rumgezicke einiger Hundertfuffzich-Prozenter im Anschluss an das Dortmundspiel durchaus nachvollziehbar. Es gab nach der Becherwurf-Aktion berechtigte Kritik an der Kurve, offenbar auch szene-intern, womöglich resultierte daraus ein gewisser Erklärungsbedarf der Kategorie Dauersupport. In der Fanpostille „Kurvenecho“ erschien jedenfalls eine Stellungnahme zur aktuellen Ultrabefindlichkeit. Zusammengefasst klingt sie etwa so: Ihr Söldner habt gegen Union verloren, das verzeihen wir euch nie! Ja, gewisse Teile der blauweissen Fanseele sind schnell mal beleidigt. Leberwurst-Syndrom. Angeblich hätten die Spieler nicht kapiert, wie eminent wichtig dieses Spiel für die Fans gewesen sei, anders sei die Darbietung nicht zu erklären, bli bla blubb.
Ich habs letztens schon angemerkt, wiederhole es aber gerne noch mal, bestimmt nicht zum letzten Mal: Einige glauben allen Ernstes, es wäre hilfreich, wenn sich ein martialischer Mob vor der Mannschaft aufbaut und Siegpflicht einfordert (wie vorm Unionspiel geschehen). Ich erinnere mich an ähnliche Aktionen in ähnlichen Situationen, Banner oder Sprüche mit wüsten Drohungen, sollte das nächste Spiel nicht gewonnen werden (bei Abstieg Todesstrafe). Hat derartige Steinzeitpädagogik jemals gefruchtet? Ich glaube nicht. Ganz im Gegenteil, das ging immer schwer nach hinten los. Dass solche Auftritte nicht unbedingt für Lockerheit bei den Adressaten sorgen (unseren Freund Ibisevic nehme ich mal aus), scheint für gewisse Fanatiker offenkundig nicht oder nur schwer einsehbar. Ein Grundkurs Psychologie für die Ostkurve ist längst überfällig.
Lektion eins: Schließen Sie saftige Kritik stets mit einem Lob ab! Das will ich gleich mal beherzigen und sage: Chapeau für die Soli-Adresse an Jessic Ngankam, liebe Ostkurven-Bannerdichter. Das ist der Geist, den wir künftig beschwören wollen. Weiter so.
Es mag widersinnig klingen, aber die ätzende Nölerei der vergangenen Wochen hatte auch positive Auswirkungen. Unser Kapellmeister Rev. Dr. C. S. war davon so angefressen, dass er trotz Prüfungsstress innerhalb weniger Minuten eine unvergesseliche Ode verfasst hat. Welturaufführung fand letzten Sonnabend anlässlich der HerthaUnser Weihnachtsfeier Episode XV statt. Zeuge u.a. Momo Covic (Nummer 34). Diesen Erste-Sahne-Song auf die Melodei des Klassikers „Rudolf the red nosed Reindeer“ möchte ich euch nicht vorenthalten:

C h7 a7 G
Ihr kennt Bayern und Dortmund, Madrid, Barcelona
C h7 a7 G
Leipzig, die Eintracht, na klar, die Unioner
e A
doch das sind nur Namen
A7 D7
und keine wirkliche attraktiven Damen

Strophe (alle)
G D D G

Hertha, die alte Dame, hält mich lange schon auf Trab.
Mal spielt sie wie entfesselt, mal steigt sie einfach ab.

All die anderen Vereine sind mir sowas von egal.
Ich lieb‘ ja nur die eine, stolz trag‘ ich ihren Schal.

Bridge C G C G
D A7 D7
Was das Schicksal mir auch bringt, eins bleibt doch besteh’n:
Samstags vorglüh’n, Freunde sehen, frohgemut ins Stadion geh’n.

Strophe G D D G

Und läuft es auch mal schlechter, bleibt mir doch ein letzter Trost.
Denn es wird ja wieder besser, darauf ein blau-weißes Prost!