Happy Sunday

Ich hatte kein gutes Gefühl, als ich heute Vormittag zur MV ans Messegelände geradelt bin. Seit 1993 Mitglied, haben mich derartige Veranstaltungen eher abgestoßen. Meine erste MV war im Logenhaus, Bezirk Wilmersdorf, Mitte der 90er. Der junge Niko Kovac turnte da noch rum, niemand konnte ahnen, dass er mal ein Weltstar werden würde. Ja, ein Weltstar: Später bei den byern, beim HSV, kurz vorm Abschluss nochmal zurück zu Hertha, von Onkel Dieter persönlich an die Spree gelotst. Sage mir keiner, der sogenannte Berliner Weg sei eine neue Idee. Alles kalter Kaffee. Wurde nur nicht so genannt, weil es damals noch genug Alternativen gab, zum Beispiel in Brasilien. Lang ist es her.

Lobenswert: Gepflegtes Pissoir beim BAK

Nun also MV anno 2023, Monat Mai, kurz vorm zu erwartenden Erstliga-Exitus. Ich bin nur hingeradelt, weil es bei mir quasi umme Ecke liegt. Und weil ein wenig Zeit zwischen MV-Eröffnung und Anstoß im Poststadion lag. Sonntags muss ich oft ackern, wenn ich mal frei habe, dann schwinge ich mich zu dieser Jahreszeit gerne aufs Rad und lasse mich irgendwohin treiben. Gerne auch mit Ziel. Das war diesmal leicht ausgemacht, Herthas Zweite hatte im besagten Poststadion einen Termin beim BAK. Einer der schönsten Spielorte dieser niemals schlummernden Stadt, jedenfalls nach meinem Geschmack. Gespickt mit Erinnerungen an unvergessliche Hertha-Auftritte in den trüben 80er Jahren. Die Gegner hießen Türkiyemspor oder TeBe, das waren zumindest die Highlights. Zehntausend Zuschauer waren da, mindestens, Bier wurde palettenweise über den Zaun gehoben, die Stadion-Kantine war bei vielen beliebter als die Tribüne.

Scheiden tut weh – tschö, Kutte

Lassen wir die ollen Kamellen und kehren wir zurück zur tristen Gegenwart. Wobei, trist erscheint nur der Augenblick, ich bin schon wieder guter Dinge. Und etliche der Kumpane ebenfalls. Warum? Weil die 2. Liga der Knaller ist, zumindest den Namen nach. Ich will nicht alle aufzählen, ich hoffe nur, dass der HSV dabei ist. Wobei mir auch Schalke oder der VfB Stuttgart recht wären. Von mir aus auch Bochum. Nur nicht Heidenheim, Darmstadt, Hoffenheim, RB, Leverkusen, Augsburg usw. Legt euch gehackt, ihr solide geführten Langweilerklubs.

Im übrigen ist es eine Legende, dass Byernfans glücklicher seien als Herthaner. Ich habe schon persönlich Exemplar*innen (sic!) kennengelernt, die trotz Meisterschaften in Serie dem Trübsinn anheim gefallen sind. Da hilft kein Sieg gegen einen x-beliebigen Bundesligisten, kein Weiterkommen im Pokal, kein kostspieliger Transfer – um froh zu sein, langt auch ein netter Nachmittag in Liga vier. Wenn man nebenbei fünfnull gewinnt, wie wir heute, umso netter.

Symbolbild

Und sowieso ist man als Anhänger eines notorisch am Rande des Wahnsinns taumelnden Vereines gegen die Unbilden des Lebens besser gewappnet, als wenn man in Watte gepackt noch nie einen Gedanken an Abstieg und Lizenzverweigerung verschwenden musste.

Mein ursprünglicher Gedanke war, diesen Text dahingehend zu gestalten, dass er die Vereinszugehörigkeit als Metapher auf das Leben beschreibt. Ein hehres Ziel, dass ich mal wieder kolossal verfehlt habe. Auch insofern liege ich mit Hertha auf einer Wellenlänge. Football is coming home, as expected.