Mitgliederversammlung ist immer so eine Sache. Meistens spare ich mir das Palaver, aber diesmal schien es mir nicht ganz unwichtig. Ist wieder mal Revoluzzerstimmung bei der Alten, weil wir immer noch nicht Meister geworden sind. Herrgottsakrament, ist ja auch wirklich ein Unding!
Ein gewisser Herr Troschitz hatte sich mit einigen Vereinsgesellen zusammengerottet und eine Abwahlorgie gegen das amtierende Präsidium initiiert. Anitfarmer hatte seinen Hut schon Anfang der Woche genommen, heute standen die übriggebliebenen Abnicker zur Disposition. Zum Auftakt des entscheidenden Tagesordnungspunktes hielt Herr Troschitz eine Wutrede, klang in meinen Ohren wie Alfred Tetzlaff, nur nicht so lustig.
Typen wie Troschitz glauben tatsächlich, dass man Erfolg quasi einkaufen kann. Dass die Windhorst-Millionen scheinbar wirkungslos verpufft sind, ja, dass es seitdem sportlich sogar um einiges schlechter gelaufen ist, als erträumt, dass ist für einen Großteil des Herthauniversums nicht nachvollziehbar. Am meisten nervt diese Klientel allerdings, dass der ungeliebte Stadtnachbar so viel besser dasteht und das ohne nennenswerte finanzielle Mittel. Der Erfolg der Försterlinge wurmt so dermaßen, dass geht vielen wirklich an die Nieren. Mein Rat wäre, einfach mal dezent ignorieren, die Rostigen, aber das wäre nun wirklich zu viel verlangt.
Fünf Präsidiumsmitglieder sollten also nach dem Willen von Troschitz und seinen Mitstreitern in die Wüste geschickt werden. Hauptsächlich, um das eigene Mütchen zu kühlen, so meine Vermutung. Alternativvorschläge gab es nämlich nicht. Da würden sich dann schon Kandidaten finden, meinten die Abwahlfreaks nonchalant. Das anwesende Herthavolk schien mir zu Beginn der Veranstaltung auch durchaus gewillt, mal ordentlich auf den Putz zu hauen, sprich, die Führung per Handstreich abzuservieren. Nur die wenig erquickliche Aussicht, dass Boss Bobick durch solch blindes Rumgeholze die Hände gebunden sein könnten, hat dazu geführt, dass lediglich Vize Manske abdanken musste. Wobei nicht einmal der Vizepräsident wirklich gemusst hätte, weil keine Zweidrittelmehrheit gegen ihn zustande kam. Merke: Die Herthasatzung verfügt über einige doppelte Böden, um gegen emotionale Ausbrüche gewappnet zu sein. Aber das Ergebnis war dann doch so mies, dass Interimspräsi Manske seinen Platz freiwillig geräumt hat. Wurde mit stürmischem Applaus quittiert.
Wer ihn nun bis 26. Juni beerbt, blieb offen. Ich glaube übrigens, dass Manske in erster Linie sein mangelhaftes Redetalent zum Verhängnis wurde. Der ist bestimmt kein Dummer, immerhin Anwalt. Aber ein Publikum vom Hocker reißen, das ist nicht sein Metier. Sein Vortrag klang ungefähr so, als wenn er kurz vorm Einschlafen seiner Frau zum hundertsten Mal die Monopoly-Spielregeln vorliest. Dagegen ist Baldrian ein Aufputschmittel, ick schwöre. Mittendrin ist ihm mal das Wort „Mitgliederinnen“ rausgerutscht, weiß der Deibel, was er damit andeuten wollte. Es blieb wohl weitgehend unbemerkt, sonst wäre das Ergebnis noch arger ausgefallen.
Spätestens nach der gescheiterten Abwahl wäre ich normalerweise nach Hause gepilgert. Aber den Höhepunkt wollte ich mir nicht entgehen lassen: Lasse Windhorst durfte das Wort ergreifen, wobei es ihm nicht leicht gemacht wurde. Einige – ich vermute mal, die Transparentmaler aus der Ostkurve – sind ihm permanent ins Wort gefallen, haben herumkrakeelt, gebuht und gepfiffen, sobald Lars seine Lippen öffnete. Daraufhin wurden wiederum die Krakeeler angebrüllt. Es gab ein Hin und Her, bis der Versammlungsschiri ein Machtwort bzw. einen Ordnungsruf erteilte.
Larsis Rede war dann eher enttäuschend. Er hat nochmal committed, dass er nicht geht, sein Geld ohnehin nicht. Windhorst raus, das sei eine Illusion, weil er ja Teilhaber sei und kein gewähltes Gremiumsmitglied. Ätschi. Irritierend fand ich, dass sich unser Goldesel zwar einerseits aus allem raushalten will und keine Unruhe mehr stiften will, andererseits aber mehr Mitsprache resp. Einfluss wünscht. Dabei scheint er von Fußball nach wie vor keinen Schimmer zu haben, nicht mal das Kicker-Fachwissen hat er intus. Den Namen unseres heißt gehandelten Trainers in Spe – Sandro Schwarz – kannte er nicht. Er hatte ihn wohl mal gehört, konnte damit aber vermutlich nix anfangen. Pep, Klopp und Konsorten, das wären vermutlich Kaliber, die unser großzügiger Investor gerne auf der Herthabank sehen würde. In dieser Hinsicht gehört unser Larsi ganz eindeutig zur Fraktion Troschitz. Ein Träumer eben. Träum weiter, Larsi.