Das muss Liebe sein, aber echt

Ich wurde heute auf eine Stellungnahme aufmerksam gemacht, die offenbar am Tag des Derbys auf der Harlekins-Homepage veröffentlicht wurde. Ich muss gestehen, das Statement lässt mich einigermaßen ratlos zurück. Mit der Ultrabewegung habe ich mich zwar nie wirklich befasst, ist nicht meine Generation, aber ich stand den jungen Leuten zumindest wohlwollend gegenüber. Die Begeisterung für unseren seltsamen Verein habe ich geteilt, die Choreos haben mir oft gefallen, lautstarke Unterstützung kann nicht verkehrt sein, dachte ich mir. Laut Eigendarstellung stehen die Herrschaften bedingungslos hinter dem Klub, opfern buchstäblich ihr letztes Hemd, verlassen eher Frau und Kinderschar, statt die liebe Hertha-ta. Die scheinbare Selbstlosigkeit offenbart sich jedoch als pure Propaganda, wenn man die Stellungnahme vom 9. April den Ereignissen gegenüberstellt, die sich am selben Abend vor der Ostkurve abgespielt haben.

Ich will mal ein paar Punkte herauspicken, die mir besonders übel aufgestoßen sind: Hertha sei „leider das absolute Gegenteil von Konstanz und Ruhe“, heißt es ziemlich zu Beginn des Pamphlets. Das ist vollkommen richtig erkannt. Kann ich nur zustimmen. Bravo, liebe Hardcorefans. Umso unverständlicher, wie man – trotz dieser Erkenntnis – eine derart hochnotpeinliche Aktion vor der Ostkurve zulassen kann?! Zur Beruhigung der Situation rund um Hertha nicht gerade förderlich, ums mal so vorsichtig wie möglich auszudrücken.

Des Weiteren wird die überbordende Erwartungshaltung des Umfelds moniert. Die „Berliner Presselandschaft“ hätte „schnell von einem Angriff aufs internationale Geschäft fabuliert“. Gehe ich ebenfalls mit. Mir geht das Hochjubeln und Runterschreiben auch immer zu schnell. Ich leite mal ab, dass die Ultras in dieser Hinsicht eher bescheiden sind? Das würde ich mir loben, frage mich allerdings, warum nach Niederlagen wie gegen Union nicht mehr Nachsicht geübt wird, wo doch Genügsamkeit gepredigt wird? Aber jut, im Überschwang der Emotionen können die Gäule mal durchgehen, ist mir auch schon passiert. Sollte nur nicht allzu oft passieren. Schon gar nicht, wenn die Alte mit dem Rücken zur Wand steht und den Jungs der Arsch ohnehin auf Grundeis geht.

Weiter im Text, ich zitiere mal einen längeren Absatz, haltet Euch fest: Hertha BSC muss es endlich schaffen, nicht nur junge Spieler hervorragend auszubilden, sondern diese auch langfristig an den Verein zu binden. Wichtig ist hierbei auch neben der immer wieder zu Recht gelobten sportlichen Ausbildung die Bildung der Persönlichkeit nicht zu kurz kommen zu lassen.“ Und es geht noch weiter: „Hierfür müssten jedoch sämtliche Angestellte des Vereins nach diesem Credo handeln. Denn auch in der Außendarstellung und der Führungsebene ist das tugendhafte, ruhige Arbeiten ein hehres Ziel, dass es endlich zu erreichen gilt.“ Ruhiges, tugendhaftes Verhalten? Als ich das las, ist mir beinahe die Kinnlade auf die Tastatur geknallt. Ist kognitive Dissonanz steigerungsfähig? Es will mir nicht in den Schädel, wie man vormittags von Persönlichkeitsbildung schwadronieren kann, junge (!) Spieler an den Verein binden will, und noch am selben Abend die armen Schweine aufs übelste beschimpft, erniedrigt und damit ein maximal vereinsschädigendes Verhalten an den Tag legen kann, Ausrufezeichen! Oder wollte man nur mal wieder in der Presselandschaft Erwähnung finden? Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom? Irgendwas passt hier nicht zusammen.

In der Ultra-Verlautbarung ist auch von „Werten“ die Rede, „Kampfgeist“ und „Aufopferungsbereitschaft“ werden genannt. Man wünscht sich bei Firma Harlekins „den unbedingten Willen, als Gemeinschaft selbst gesteckte Ziele zu erreichen“. Und weiter: „Darüber hinaus ist der Respekt vor denjenigen, die diese Werte bereits vorleben – uns Fans – elementar.“ Das lass ich mal so stehen, ich will es gerne glauben. Dann lasst mal Taten folgen, ihr Helden der Ostkurve. Ich sage nur Respekt, Tugendhaftigkeit, Bildung der Persönlichkeit. Wie wärs mal mit einer Entschuldigung? Einsicht zeigen? In sich gehen? Eine freundliche Geste in Richtung der Mannschaft wäre ein guter Anfang und ein wichtiges Signal. In diesem Sinne, Hahohe.