Zweiter. Nur eine Momentaufnahme, aber immerhin eine schöne. Und eine trügerische dazu. Ein Blick auf die Tabelle verrät, da klucken einige Klubs ziemlich dicht aufeinander. In zwei Wochen kann die Chose schon wieder ganz anders aussehen, ich habs ausgerechnet. Aber dreizehn Punkte nach sechs Spielen kann uns keiner mehr nehmen. Soviel ist man auch klar.
War ein komisches Spiel gegen die Nordlichter, aus ungewohnter Perspektive zumal. Block C, Ehrentribüne. Sohnemann resp. seine Mama machten es möglich. Kann man mal machen.
Hamburgs Gisdol lobte Hertha hinterher als schwer zu bespielen und hob hervor, es mache sich bemerkbar, dass bei Hertha seit einiger Zeit systematisch gearbeitet wird. Das kann man durchaus als Zaunpfahl-Wink an die dortige Führungsetage und Reinquatscherclique werten. Denn in Rothosenhausen sind Geduld und Spucke eher nicht so angesagt, wie man hört. Not our fucking problem.
Bei Hertha hingegen scheinen die entscheidenden Personen geerdet und mit Sinn für das Machbare ausgestattet. Das darf ruhig so bleiben. Also alles in Butter? Nicht ganz. Die Fanseele murrt vernehmlich, Aufhänger sind die pinkfarbenen Ausweich-Trikots. Wenn man sonst keine Sorgen hat, möchte ich meinen. Aber Pubertät geht ja auch vorüber, in spätestens zehn, fünfzehn Jahren sind die pinken Dinger total Tradition, da werden auf Ebay Höchstpreise aufgerufen, jede Wette.
Siehe HaEsVau. Die liefen mit rosa auf und keiner hat gemeckert. Vielleicht, weil sie andere Sorgen haben, vielleicht, weil sie in den 70ern mit rosa Leibchen sone Art Avantgarde waren.
Ich will nicht zu sehr rumkritteln, unsere Ostkurve ist auf nem guten Weg, verglichen mit diversen Vorgängerkurven resp. Vorgängerblöcken sowieso. Dennoch komme ich bei manchen Chorälen ins Grübeln.
Nur mal so als Beispiel: Da wird der HSV in die zweite Liga gesungen, „oh wie ist das schön, euch nie mehr zu sehen“. Ein Klassiker in jedem Stadion bei entsprechender Gelegenheit geschmettert. Von mir aus. Allerdings irgendwie inkonsequent, wenn man bedenkt, dass man ja lieber gegen Hamburgs Sportverein kickt als gegen, sagen wir mal, Rote Bete Leipzig. Zumal wir, wie ich im Vorfeld gelesen habe, gegen den HSV in all den Spielzeiten eine recht ansehnliche Bilanz erwirtschaftet haben. Okay, Hämburch hätte es einfach mal verdient abzusteigen, so dreist wie die sich seit Jahren schon gebärden, wir mussten da schließlich auch durch. Trotzdem wills mir nicht ganz einleuchten, dass man drei sichere Heimpunkte gesanglich so einfach herschenkt.
Oder die Verbalinjurien gegen Lasogga. „Du Fotze!“, wurde mit Inbrunst an seine Adresse gekläfft. Dabei war der Wechsel damals gar nicht in erster Linie Wunsch des Stürmers, sondern dem Umstand geschuldet, dass er bei Hertha unter Luhukay keine Berücksichtigung mehr fand. Außerdem war Lasso ziemlich oft verletzt. Und dann hat er uns obendrein noch die herausragende Summe von achteinhalb Millionen Euro eingebracht. Alleine für diesen Scheck würde ich Lasogga (und Preetz oder wer immer diesen Hammer-Deal verantwortet hat) noch heute dankbar an die Füße fassen. Also wenn schon „Fotze“, dann bitte „du geile Fotze“. Soviel Ehrlichkeit muss sein.
Hatte ja schon desöfteren angemerkt, dass Beleidigungen oder sonstige Anti-Gesänge den Gegner eher anstacheln, das kann man immer wieder lesen, sollte mithin auch den Kurvenlautsprechern bekannt sein. Aber ist schon klar, Ostkurvenlyrik wird vor Inbetriebnahme höchstwahrscheinlich nicht extra auf mögliche Kontraproduktivitäten abgeklopft, sondern ist gewissen Ritualen geschuldet, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Wo wir wieder bei Tradition wären.
Mitunter soll es dem Fortschritt durchaus dienlich sein, mit liebgewonnenen Traditionen zu brechen, könnte man nun klugscheißern. Klugscheißern ist übrigens eine meiner Lieblingsangewohnheiten. Sauklug daherschwafeln und dann bei nächster Gelegenheit den Gegner als olle Fotze beschimpfen. Das sieht mir so richtig ähnlich. Ich werde eventuell mal drüber nachdenken. Ach nee, lieber doch nicht.