Im Fußball kann uns Deutschen auf absehbare Zeit keiner mehr was, sagt die Weltpresse. So ähnlich hat das auch mal unser Kaiser gesagt, anno 1990, nach dem letzten siegreich gestalteten WM-Finale. Aus der überschwänglichen Prophezeiung wurde bekanntlich nix, auch wenn sich Terrier Vogts durchaus beachtlich schlug. Als demütig gewordener Herthaner kann man sich für derlei wachsweiche Prognosen sowieso nix kaufen. Höchstens leihen, einen Spieler nämlich, wenn die Großen im Karpfenteich so satt sind, dass sie ihre Unzufriedenen lieber in den Skat drücken, auf das die vermeintlichen Rohdiamanten im laufenden Betrieb ein wenig geschliffen werden. Uns soll es recht sein.
Rein gefühlsmäßig ist die Saison lange vorbei, allerspätestens seit Kölle, aber hie und dort wird tatsächlich noch gegen die Pille getreten. Herthas B-Junioren wollen wieder Meister werden, im Halbfinale geht es gegen S04. Habe mal ein bisschen rumgegoogelt: Seit 1977 wird die B-Jugendmeisterschaft ausgespielt, Hertha hat viermal gewonnen (ebenfalls viermal gewonnen haben auch Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund und Bayern München). Zweitbester Wert hinter VfB Stuttgart (sechsmal). Bei den A-Junioren (Deutscher Meister wird seit 1969 ermittelt) haben wir noch gar nix gerissen. Auch da ist Stuttgart mit 10 Titeln das Maß aller Jugendabteilungen, dahinter folgt Borussia Dortmund mit fünf Titeln (der BVB hat sie übrigens in Serie geholt, von 1994 bis 1998). Wer es noch nicht gemerkt hat, ich bin ein Fußball-Statistik-Freak. Es gibt schlimmeres, kann aber auch zur Manie werden. Bei mir ist noch alles im grünen Bereich, hoffe ich mal. Ich frage mich allerdings, warum unsere B-Jugend regelmässig Titel abräumt, während die A-Jugend nichts gebacken kriegt?
Vielleicht hat man sich bei Hertha ja dieselbe Frage gestellt und deshalb verschiedene Besen im Nachwuchsbereich durch neue ersetzt. Die sollen nämlich gut kehren, sagt man gemeinhin. Die andere Seite der Medaille ist die, dass dafür ein paar alte Haudegen ihren Hut nehmen mussten, u. a. mein Beinahe-Nachnamensvetter Karsten Heine (wer es noch nicht weiß: Egmonte ist nur ein Alias). Christian Fiedler wurde ebenfalls geopfert. Die Personalrochade hat nocheinmal für ein wenig Wirbel im ansonsten geruhsamen Hertha-Alltag gesorgt. Von Kritikern wurde insbesondere das Traditions- resp. Treue-Argument bemüht. Nach dem Motto: Die waren so lange dabei, die kann man nicht so einfach vom Hof jagen.
Kann man doch, wie zu besichtigen war, natürlich begleitet von warmen Worten. Hinter vorgehaltener Hand (sprich: in den gutinformierten Blättern) ist von (zu) gut dotierten Verträgen die Rede (einerseits), aber auch von gewissen Defiziten im sportpsychologischen Bereich. Jedenfalls in verschiedenen Artikeln zum Thema, die ich überflogen habe. Oder habe ich was verpasst? Falls ja, ist es auch egal, denn die Würfel sind nun mal gefallen. Ich bin als Loyalist sowieso mit nahezu allem einverstanden, was unsere sportliche Führung so ausheckt. So lange es gut geht, jedenfalls. Noch hat die Saison nicht angefangen, da können sich Preetz und Luhukay also in Sicherheit wiegen.
Noch was zum Traditions-Thema: Ich hatte letztens einen Argumenten-Austausch mit dem Webmaster bezüglich des Testspiels gegen Butterkeks Leibniz, oder wie die Saftsäcke auch immer heißen mögen. Er war strikt dagegen, icke dafür nicht. Ich krieg seine Begründung nicht mehr zusammen, es klang aber sehr überzeugend. Ich bin trotzdem dafür, nicht gegen das Testspiel zu sein, der triftige Grund fiel mir eben gerade erst ein. Hier isser, exklusiv auf HU: Mit jeder Absage fühlen die Vögel sich noch mehr als Märtyrer, das verleiht ihnen eine Besonderheit, die ich ihnen nicht zugestehen mag. Ich weiß, ist nicht besonders überzeugend, aber was besseres fällt mir momentan nicht ein.