Mit etwas Verspätung (aber nicht zu spät) will ich auch noch ein paar Glückwünsche loswerden. In Steno, sonst wirds zu lange. Räusper, räusper.
Liebe Hertha, altes Schachtelchen. Was wäre ich ohne Dich?
Ach nee, Liebesbriefe sind nicht mein Ding. Haben andere schon erledigt, in den letzten Tagen und Monaten, noch und nöcher. Guck mir die hingeschluderten Hölderlins lieber mal an, bin ja von Hause aus Chronist und Kritiker. Also, Pressefritzen, uffjepasst, Ohrn steif: Besonders jut jefallen haben mir die Interviews mit den alten Haudegen. Auch die mit den neuen Haudegen, mit Abstrichen. Die ganzen Histörchen, auch nicht schlecht. Ein paar kannte sogar ich noch nicht, ick hörte und staunte mitunter. Nicht fehlen durften diverse Jahrhundertelfen. Fanden größtenteils meine Zustimmung, so viel Auswahl gibts ja nicht. Wobei ich auch gerne mal eine B- oder C-Elf gesehen und gelesen hätte, statt immer nur Hanne und Ete und Herthinho. Aber ick kenn ja den Zirkus, da muss immer weniger Personal immer mehr schaffen. Wenns weniger Arbeit wird, isses aber auch kein gutes Zeichen. Das nur nebenbei.
War noch wat? Ach ja. Diverse Fans durften via Pressewesen ihre Glückwünsche übermitteln. Volkes Stimme lese ich immer besonders gerne. Weil man als Herthaner ja eher Einzelgänger ist. Begegnen mir auf der Straße Menschen mit Hertha-Devotionalien, bin ich nicht selten unangenehm berührt. Man hört ja schlimme Sachen von denen. Selbst an Spieltagen ist das so. Geht mir nicht alleine so. Mal ein kurzes verständnisvolles Nicken in Richtung eines Blauweißen, das ist fast schon das höchste der geäußerten Gefühle. Deshalb wird auch das Stadion nur selten voll. Wer will schon fremde Menschen mitbringen, die einem mit unangemessenen Bemerkungen den Stadionbesuch vermiesen. Etwa in der Art: „War Hertha schon mal Meister?“ – „Ist ja kein so dolles Spiel“ – „Und das soll euer bester Spieler sein?“ – „Also, bei XYZ ist die Stimmung aber besser“ – „Gibts hier auch echtes Bier?“ usw usf.
Schön waren auch die alten Videos aus den 70ern und davor und danach. Die olle Bulettenbezett konnte sich einen ironischen Seitenhieb nicht verkneifen, hat doch tatsächlich ein Foto vom leeren (!) Olympiastadion (!!) auf eine komplette Mittelseite (!!!) druffgepackt. Dazu frech getextet: „Hyperrealistisch, weil der Betrachter quasi ins Foto gezerrt wird.“ Was für eine genialische Anspielung auf die leidige Stadiondiskussion. Hab mich schlapp gelacht. Aber nur innerlich. Nix anmerken lassen, das ist nämlich auch eine alte Herthanerdevise.
Sonst noch wat? Nee, also fast nix. Ostkurve hat ostkurvenmässig gefeiert, im Stadion inner Ostkurve, fantick och jut. War aber nicht da, musste morgens früh raus. Museum und Ausstellung und so? Will ick kieken gehen, logo. Dampfer auch mal fahren (wenn er denn in die Stadt resp. aufs Wasser darf). Gegen Liverpool binnick sowieso da. Sonst nochwat?
Ach ja. Mein Brief. Nicht so mein Ding, aber man wird schließlich nur einmal 125. Also, hier isser:
Liebe Hertha, altes Schachtelchen. Was wäre ich ohne Dich?
Ein lausiger Bayernfan? Oder – fast undenkbar – von Tebe. Nee, dann lieber Union. Oder BFC? Hansa? Bin so froh, dass Du blauweisse Maus mir die Entscheidung abgenommen hast. Zu meiner Geburt warste schlappe 75, ein junger Hüpfer. Unser erstes Mal so lala, also ziemlich typisch. Derby gegen lila Lokalrivale, Name ist mir entfallen. Ich mit Onkel da, Oberring Kurve, rechte Hand Marathontor. Mein Tipp: Sechsnull. Stattdessen: Ein mageres Zwoeins. Szymanek traf früh, den Rest habick vergessen, verdrängt, weiss nicht mehr. Wahrscheinlich war das Drumherum interessanter, die Kulisse, das Rauschen und Raunen der Massen, die Fahnen, die Tröten, der unvergleichliche Duft der großen, weiten, bierbesudelten Muschelkalkarena. Schon mit Dach, halbwegs mittig. Die erste Saison: Vizemeister. Was für ein Versprechen! Güldene Zukunft! Warum auch nicht?
Kam etwas anders. Zunächst wieder so lala, aber es lief. Ich auf die Oberschule, in die Pubertät, Du in die zweite Liga Nord. Eine schwierige Zeit. Für uns beide. Obwohl: Zwei Jahre Siege und Tore (fast) ohne Ende, nur nicht die entscheidenden. Ein Jahr später doch nach Oben. Nur ein Strohfeuerchen, schade drum. Und wieder tschüss. Wir kommen wieder!? Na ja. Dauerte ein Weilchen. Erstmal richtig tschüss, strafversetzt nach Westberlin. Endlich, ich lernte meine Heimatstadt kennen, die eine Hälfte jedenfalls. Plötzlich wieder da (wieder mit Verzögerung, herjemineh). Ich Abitur, lustiges Studentenleben, ohne zu studieren. Ganz so lustig wars irgendwann doch nicht mehr, wollte nur raus ausm Mauermief. Aber auch wieder nicht so richtig raus. Entscheidung 1989 abgenommen: Mauer weg, neue Stadt, voilá!
Und siehe da: Auch Hertha wieder da! Der schlafende Riese erwacht. Erste Dauerkarte, Studententarif. Euphorie wie nachm Mauerfall. Beides schnell verblasst. Grausame Saison, Dauerkarte zum Glück irgendwann verloren. Und mal wieder tschüssikowski, erste Liga.
Trotzdem weiter hin, nur ohne Dauerkarte. Dafür Mitglied geworden. Per Zufall, weil: In Villa Reichsstraße lagen Beitragsformulare herum. Dachte mir nix dabei, außer, warum nicht? Später dafür öfter mal: Was hat mich Volldeppen bloß geritten!!?? Jahre zogen ins Land, Du plötzlich Hundert. Icke nix mitbekommen, fast nix. Dafür Studium – oh Wunder – beendet, irgendwie. Und nu? Hertha och wieder da! Erst holprig, aber dann. Aber hallo!
Und jetze, 125 Lenze, kaum glaublich. Wacker gehalten haste Dir. Jut siehste aus, nachwievor. Ein paar Runzeln und Falten haben noch immer am Leben gehalten, dichtet der Volksmund in schlichter Schläue. Weiter so, meine Beste. Immer weiter.