Alles in allem war es ein schöner Tag, sieht man mal vom wenig erquicklichen Spielverlauf ab. Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet, mal wieder ein Fußballspiel ohne Maßnahmen-Klimbim zu erleben. Im Nachhinein muss ich mich entschuldigen, für meine doch mitunter negativ-fatalistischen Beiträge der vergangenen Pandemie-Monate. Dabei habe ich mich noch zurückgehalten, um nicht unter Schwurbel-Verdacht zu geraten, wobei aufmerksame Leser sicher festgestellt haben werden, dass ich seit jeher linientreuer Quarkdenker bin. Reimt Euch was zusammen, Ihr Solidaritätsmonster, die Gedanken sind frei.
Bloß nicht zu früh freuen, noch ist die Coronachose nicht abgeblasen. Das Ministerium für gestrandete Existenzen droht schon mit den nächsten Strafmaßnahmen, weil sich ein paar Patienten partout nicht freiwillig dem neuartigen Medikamententest unterziehen wollen. Wie dem auch sei, die Fünfundsiebzigtausend im Olympi waren größtenteils wohltuend unmaskiert. Mag sein, weil die allermeisten ein oder mehrere Biere an den Lippen hängen hatten, aber mir soll es egal gewesen sein, Hauptsache Fratze pur.
So ganz wie früher wars trotzdem nicht. Statt mit dem üblichen Kumpelumfeld bin ich mit Familienanschluss zur Kultstätte gepilgert. Mein elfjähriger Neffe durfte endlich sein erstes Herthaspiel erleben, meine Verlobte und ihre Tochter (10) sowie die Vizepräsidentin von Herthaunser haben das georderte Ticketkontingent komplettiert. Vor zwei Jahren hätte ich noch Kreti und Pleti zusammentelefoniert, vorher auf den Terrassen oder sonstewo getroffen, vielleicht auch Buli-Konferenz geglotzt, jedenfalls voller Vorfreude vorgeglüht. Trotz Fastenzeit hätte ich mitgesoffen und als Ausrede angeführt, dass ich ja so gut wie keine Exzesse mehr feiere. Falls jemand blöd gefragt hätte. Fahrradkette.
Ist da noch was zu retten? Ich meine, bei Hertha? Sieht nicht gut aus, auch wenn wir noch gegen direkte Konkurrenten antreten. Rein rechnerisch. Vielleicht sollte Magath wieder ins zweite Glied treten und seinem schottischen Kompagnon den Vortritt lassen. Mag naiv klingen, aber gegen Hoffenheim hats funktioniert. Muss er sich nur nochmal anstecken bzw. positiv testen lassen, das sollte eigentlich kein Problem sein, bei diesen Inzidenzen. Hö hö.
Ich lege mich mal auf einen bzw. mehrere Mitschuldige fest: Sollten wir tatsächlich absteigen, dann haben auch die Herren Ultras ihre Aktien an dem Untergang. Aus gekränkter Eitelkeit Spieler zu demütigen, ist das exakte Gegenteil von Motivation. Haben die bis heute nicht kapiert. Merken die noch was? Nee, natürlich nicht. Die sind sowas von sich selbst eingenommen, so dermaßen egozentriert, die merken nix mehr. Das Banner „Windhorst und Gegenbauer raus“ gab beredt Zeugnis von der beschränkten Denkweise. Warum nicht: „Ob Windbauer, ob Gegenhorst, wir haben Dorst!“ Oder: „Weder Lars noch Werner, wir haben Hertha gerner“. Wenn unsere schwarzgewandeten Testosteronjunkies zu so etwas wie Selbstironie fähig wären, wäre schon viel gewonnen. Ich habe an dieser Stelle schon mal ein Trainingslager für Ultras vorgeschlagen, offenbar vergeblich. Aber ich will die Hoffnung auch bei unseren immer und ewig ach so treuen megatollen Mannschaftsunterstützer Fans nicht vollständig aufgeben.
Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder. Wie damals, ihr wisst schon. Nee? Na, egal. Ich bin jedenfalls ziemlich wild entschlossen, die verbleibenden Heimspiele live zu begutachten. Mögliche Relegation würde ich mir Stand heute ebenfalls antun wollen. Was danach kommt, werden wir sehen. Fakt ist: Zweite Liga tut nicht wirklich weh, sofern es bei einem Jahr bleibt. Es geht weiter, immer weiter. Das ist ja das Schöne.
Lets face it. Enogh is enogh.