Letztens habe ich mich gefragt, wie mein Leben wohl aussähe, wenn ich in der ersten Klasse, Schinkel-Grundschule, nicht vom dicken Fränky (später Qualle genannt) mit dem Herthavirus infiziert worden wäre. Was für eine Blender-Saison 74/75 das doch war: Die Bayern zu Hause 4:1 weggerotzt, beide Derbys gewonnen, am Ende Vizemeister. Viel besser wurde es nicht.
Aber würde ich mich wohler fühlen, wenn ich Bayernfan geworden wäre? Die Möglichkeit bestand tatsächlich, Europapokaaaaal, sach ich nur. Ich ahne allerdings, dass Bayernfrösche auch nicht immer grinsend durch die Gegend hopsen, da hilft auch keine x-te Meisterschaft, nicht mal ein CL-Triumph, fürchte ich.
Mir geht’s gut soweit, toitoitoi. Die Performance der Alten tangiert trotzdem in gewisser Weise mein Seelenleben. Das nervt. Aber: Ich nehme es als Charakterschule. Um einen abgewandelten DDR-Slogan zu zitieren: Von Hertha lernen, heißt verlieren lernen! Nicht einfach, aber hat Vorteile. Wenn denn mal ein Sieg gelingt, ist die Freude umso größer. Zur Not mit der zweiten Mannschaft (Mittwoch im Poststadion, 19 Uhr), die überraschend gut aus den Startlöchern gekommen ist. Aufsteigen geht leider nicht, weil die Großen den Weg versperren, aber hoch wollen wir mit der U23 sowieso nicht, habe ich mal gehört, wäre zu teuer.
Ansonsten hocke ich vorm Transferfenster, wie die Miez vorm Mauseloch. Wann kommt Demme? Oder von mir aus irgend ein anderer Überraschungsgast? Leihweise oder für lau? Zunächst mal sind ein paar gefallene Helden auf dem Sprung. Tschö Marco, ciao Suat. War nett, hat leider nicht sollen sein.
Die Kassen leer, der Pleitegeier sitzt im Portemonnaie. Nix ist drin. Keene müde Mark, nicht mal Abführtee. Wer kennt den Song? Jawoll, die drei Travellers, Interpreten der legendären Hymne „Blau-Weiße Hertha“. Unser Sportverein sollst du sein, für immer, Schuss, Tor, hinein. Ein Song, so schnarchig, so vorgestrig, so altbacken und deshalb auch so passend. Ick finds jut, dass er nicht mehr gedudelt wird.
Apropos altbacken: Unser Stadioneinpeitscher hat seine Ansage leicht abgewandelt. Seit letztem Heimspiel heißt es nur noch: „Hier kommt Berlins Fußballteam …“ – ohne Nummer eins, angesichts der geänderten Zeitläufte durchaus angebracht. Trotzdem: Ich würde mir auch auf dieser Position einen Neuzugang wünschen, am liebsten Frank Zander, aber auf mich hört ja wieder keiner.
Hertha mal neu gedacht. Im Härtefall würden uns nahtlos diesen Traditionsclubs anschließen. Mit Hansa Rostock, Dynamo Dresden, Rot-Weiß Erfurt, Hallescher FC, Chemnitzer FC und Energie Cottbus stehen gleich sechs Traditionsvereine aus der ehemaligen DDR in der dritthöchsten deutschen Spielklasse. Damit zeigt die 3. Liga einmal mehr, wie stark das Ost-West-Gefälle im deutschen Profi-Fußball ist