Schön, dass man wieder ohne Sondergenehmigung in Kneipen Fußball gucken darf. Hatte ich es schon erwähnt? Ist noch gar nicht lange her, der vermaledeite Krieg rückt vieles in den Hintergrund. Vor einem Jahr war noch Ausnahmezustand – oder bringe ich schon wieder alles durcheinander? Man wird schließlich nicht jünger.
Zu Hertha gehe ich wieder, seit letztem Frühjahr. Regelmäßig, zwanghaft, ohne Anzeichen von Reue. Von den alten Kumpanen sind etliche abgesprungen. Tschö mit Ö. Letztens hatte ich zwei VIP-Karten, eine zum verschenken. War ein ziemlicher Akt, jemanden für das Spektakel zu schanghaien. Zugegeben, meine Anfrage kam auf den allerletzten Drücker, wobei ich mir einbilde, früher hätten einige mehr mit den Stinkefingerchen geschnippst und „Hier, Hier!“ geschrien.
Es liegt weiß Gott nicht an den dürftigen Darbietungen, schlechten Fußball gabs schon häufiger, auch vor Corona. Zumal man nach wie vor nie weiß, was einen erwartet, im Zirkus Olympi. Zuletzt immerhin zwei Heimsiege, jawollo, wir stehen über dem Strich, wenn auch nur ein lausiges Pünktchen vom roten Laternchen entfernt.
Eine ganz enge Kiste da unten. Klingt pornös, ist aber eher Psychokrimi. Eigentlich sehr prickelnd, ich würde mir das Gemetzel trotzdem lieber aus sicherer Entfernung ankieken. Wobei: So ein gähnend langweiliger Mittelfeldplatz, jenseits von Jut und Pöse, da geht einem auch keiner ab. Und genau darum geht’s ja: Emotionen, Eruptionen, Ekstase. Kommt selten genug vor, aber dafür reichen schon bescheidene Anlässe, etwa ein rumpeliges Zwonull gegen arglose Augsburger.
Ein Sieg, immerhin. Heute, eine Woche später, der beinahe erwartet deutliche Dämpfer. Ein einsamer Kneipennachmittag, ein alkoholfreies Weizenbier, bitte. Keine Hertha-Enthusiasten, ich lasse auch keine Regungen erkennen. Starre hin und wieder auf den Bildschirm, kieke nach draußen, glotze auf mein Handy. Nächste Woche wieder lange Männer, Block P, Höhe Eckfahne. Mainz zu Gast, weit enteilt. Der Winter neigt sich dem Ende, ich bin guter Hoffnung.