Leider nicht ganz unverdient, die Niederlage bei den Werder-Würsten. Ich gehe analytisch mit Pal konform, dass die allgemeine Hochjazzerei nach den formidablen ersten vier, fünf Pflichtspielen evtl. nicht förderlich war. Aber Ernüchterung klärt ja in mancherlei Hinsicht den Blick auf die Realität. So komfortabel ist Hertha dann doch nicht aufgestellt, dass man mal eben einen bis dato unbekannten Marko Grujic 1:1 ersetzen könnte.
Wie leicht man sich von allgemeiner Euphorie anstecken lassen kann, konnte ich gut an mir selbst beobachten. Im Geiste sah ich mich schon wie weiland Onkel Dieter mit der Schale durchs Brandenburger Tor schunkeln. Welch Anmaßung. Aber ich will mir das auch nicht weiter verübeln, von der Meisterschaft träumen zu dürfen, kommt schließlich selten genug vor, zweite Liga mal ausgeklammert.
Zumal ich bei weitem nicht der Einzige war, gebt es ruhig zu, Genossen! Von den Experten will ich gar nicht erst anfangen. Moooment, will ich doch!!
Wenn ich heute mal wieder über (sogenannte) Experten herziehen will, dann meine ich jetzt nicht in erster Linie die üblichen Fähnchen-in-den-Wind-Halter von der Fallenstellerpresse, sondern ich zeige mit dem Finger auf die Schönschreiberlinge der angeblichen Qualitätsmedien – FUCK YOU!
Ist vielleicht nicht jedem aufgefallen, aber diese Großkonzern-Vasallen haben sich allesamt eines simplen Tricks bedient und der geht so: Um unsere Alte besonders effektvoll hochjubeln zu können, wurde ihre jüngere und jüngste Vergangenheit so mies wie möglich gemacht. Frei nach dem Motto, wer sich in den letzten Jahren Spiele von Hertha angetan hat, ist ein bemitleidenswerter Kretin, vergleichbar einem Perversling, der sich freiwillig der übelsten Folter unterzieht.
Hauptschuld am Grottengekicke war, na klar, dieser Trainernovize von Preetz‘ Gnaden. Der hätte aus unerfindlichen Gründen unattraktiven, einfallslosen Sicherheitsfußball spielen lassen, nur durch Zufall hin und wieder gepunktet und damit die Zuschauer in Scharen vergrault. Ich übertreibe vielleicht ein bisschen, aber nur, um zu Veranschaulichen, Ihr Schäfchen. Was ich sagen will: Diese Kritik ist in etwa so, als würde ich einem Trabbi-Fahrer vorhalten, dass seine blassblaue Kiste nicht so schnittig daherkommt wie der rote Lambo von Protz-Uli oder Angeber-Aki. Na jut, es mag mitunter ein paar zähe Phasen in den letzten Spielzeiten und darüber hinaus gegeben haben. Zwischendurch wurden uns aber durchaus auch ein paar Leckerli geboten. Erinnert sei nur an die erste Hinserie unter Dardai, da habe ich schon das eine oder andere Mal mit der Zunge geschnalzt. Auch die folgenden Jahre hielten gute Spielchen bereit, nicht unbedingt auf Strecke betrachtet, aber punktuell garantiert. Wer mehr erwartet hatte, ist ein Phantast.
Zur weiteren Veranschaulichung mal ein naiver Merksatz: Phantastereien sollten Journalisten – zumal solche, die für sich in Anspruch nehmen, unabhängig, nüchtern, aus- und abgewogen zu berichten – besser unterlassen. Eine solche Herangehensweise ist natürlich kompletter Blödsinn bzw. lässt sich so nicht verkaufen. Die Journaille will ihre Leserlein (Gender ausgetrickst, Baby!) ja nicht langweilen mit Plattitüden à la „Das Spiel war vielleicht nicht schön anzusehen, aber regt euch mal nicht auf, wir wissen doch alle, da entsteht was und beim nächsten Mal kann es schon wieder ganz anders aussehen.“
Im Zweifel rotzen die Sportsachverständigen lieber los, als gäbe es kein Morgen, von Übermorgen ganz zu schweigen. Bis den Verantwortlichen das Ding irgendwann zu heiß wird. In letzter Konsequenz werden Trainer und/oder Sportdirektor ersetzt, damit die Medienmeute ein neues Spielzeug hat. Dann geht das Spielchen von vorne los. Wird’s wieder nix und der Karren weiter in den Morast gemurkst, wird eher früher als später die altkluge Leier von der mangelnden Kontinuität hervorgekramt.
Das ist dann der Gipfel der Dreistigkeit, wenn Medien den Vorwurf erheben, Klubverantwortliche hätten mal wieder Rückgratlosigkeit bewiesen, weil sie sich dem öffentlichen Druck gebeugt hätten. Als hätten sie mit dem öffentlichen Druck mal so rein gar nichts zu schaffen. Warum merkt das keiner, außer mir? Womit wir wieder bei meiner eigenen Hybris angelangt wären. Fortsetzung folgt, Mund abputzen, Kovac kann kommen.