Alle rechtschaffenen Herthaner, mich eingeschlossen, haben vor dem Spiel auf einen fetten Sieg getippt. Weil der Gegner doch arg vom Verletzungspech gebeutelt, unsereiner dagegen über erkleckliche Auswahlmöglichkeiten zu verfügen schien. Chancen waren auch da, ein paar halbe zumindest, die hatte Augsburch allerdings auch, wenn auch vielleicht etwas weniger deutlich erkannbar. Fazit: Auswärts sind wir nach wie vor nicht so der Knaller.
Auswärts heißt für meinereiner meistens Kneipe. Diesmal wieder im Hecht, da habe ich auch den heuer bislang einzigen Sieg gesehen, den in Ingolstadt nämlich. Ich habe schon des Öfteren ein paar Worte über diese legendenumrankte Spelunke verloren, so will ich es auch diesmal halten. Oder soll ich Euch lieber mit der Analyse dieses schnarchigen Nullnull langweilen? Na also.
Die Gaststätte teilt sich in zwei etwa gleichgroße Räume, in beiden hängt eine Leinwand unter der Decke, jeweils in der Ecke. Diejenige im vorderen Teil ist etwas kleiner, wenn mich mein Augenmaß nicht täuscht. Im vorderen Teil ist auch der Tresen, dazu zwei (?) Daddelautomaten (direkt unter der Leinwand) und eine Musikbox, rechts neben besagten Automaten. Während man sich im hinteren Zimmer voll auf Futte konzentrieren kann, ist das Publikum im vorderen Teil der Gaststätte nicht notwendigerweise am Leinwandgeschehen interessiert.
Es könnte sogar sein, dass der Hecht 24 Stunden geöffnet ist, das weiß ich aber ehrlich gesagt nicht. Mitunter drängt sich dem unbedarften Besucher jedoch der Eindruck auf, dass manch einer der Anwesenden mehr im Hecht zu Hause ist, als am heimischen Herd. Keine neue Erkenntnis, auf den Gedanken käme man auch in anderen Kneipen, hier aber ganz besonders, behaupte ich mal.
Wir waren am Samstagnachmittag zu dritt und unjelogen nur wegen des Hertha-Spiels im Hecht. Als ich eintraf, traf ich auf Kollege Til, der sich im vorderen Kneipenbereich an einem Stehtisch auf einem Barhocker sitzend, welcher relativ mittig im Gastraum stand, postiert hatte. (Schachtelsätze am Sonntagabend sollten verboten werden). Abgesehen davon, dass man den Schädel ein wenig anheben musste, um den Bildschirm gänzlich zu erfassen, ein korrekter Platz. Besser wäre es vielleicht noch am Tresen gewesen, aber dort war kein Platz mehr frei. Wie so oft im Hecht. Normalerweise egal, aber dazu gleich mehr.
Und zwar jetzt: Kurz nachdem das Spiel begonnen hatte, entwickelte sich in unserem Rücken, also am Tresen, ein galliges Wortgeplänkel zwischen einigen Gästen. Genauer gesagt schien ein Gast, der dem Alkohol etwas zu reichlich zugesprochen zu haben schien, sich mit anderen anlegen zu wollen. Allein, der Grund wollte sich mir nicht erschließen; einerseits weil ich dem Spiel folgen wollte, andererseits waren die Blubbereien der beteiligten Streithähne nur äußerst bruchstückhaft zu verstehen. Der angetüterte Gast, der den Streit angezettelt zu haben schien, schien Herthafan zu sein. Jedenfalls krähte er hin und wieder ein heiseres „Ha Ho He, Hertha BSC!“. Selbstredend absolut unpassend zum Spielverlauf, schien allerdings voll beabsichtigt, offenbar zielte seine unangemessen laut vorgetragene Schreierei auf seine oder seinen (eindeutig war das nicht auszumachen) Kontrahenten. Der oder die ließen sich aber nicht aus der Reserve locken, die tumben Provokationen liefen glatt ins Leere, so schien es, denn irgendwann im Laufe der ersten Halbzeit war, abgesehen vom üblichen Kneipenhintergrundrauschen, relative Ruhe im Hecht.
Dem Spielverlauf entsprechend (wem sag ich das), das Geschehen in der WWK-Arena plätscherte so dahin, keine Tore, kaum Chancen, pinke Trikots, scheissegal. Schönster Moment: Als zwei anwesende Schwabmaten erwähnten, Vedad Ibisevic sei der teuerste Mann im Kader. In dem des VfB Stuttgart wohlgemerkt. O tempora.
Wir drei Auswärts-TV-Kieker haben über alles mögliche gequasselt, Fußball war fast Nebensache. Oder hat RB Leipzig wat mit Fußball zu tun? Selbst wenn ja, sage ich nein. Oder umgekehrt. Immer schön Kontra geben, wie beim Skat.
Eher schon weckten zwei ältere Herren das Interesse, offensichtlich im Rentenalter, die konzentriert die Daddelautomaten beackerten (siehe Foto). Immerhin auch dabei wieder wat gelernt, wenn auch nur fast, nämlich folgendes: Die Automaten machen irgendwann Pause, ganz von sich aus, vollautomatisch könnte man auch sagen. Technik die fasziniert. Sind wohl nur ein paar Minuten, soweit man das von unserem Platz ausmachen konnte, aber immerhin. War mir bislang unbekannt. Warum das so ist? Unsere Vermutungen mäanderten (tolles Fremdwort) in verschiedene Richtungen: Symbolische Anti-Spielsucht-Maßnahme, Pinkelpausen-Erinnerung, Bierbestell-Aufforderung, postfaktische Elastizität (häääh?!), so was in der Richtung. Unsere fesche Hertha hat die beiden Oldschool-Gamer jedenfalls nicht die Bohne interessiert, irgendwie auch verständlich gestern Nachmittag, deshalb auch kein Vorwurf von uns.