Irre ich mich oder sind die Loblieder auf Hertha diesmal tatsächlich etwas verhaltener als beim letzten Höhenflug? Höhe und Flug sind bei der Alten ja sowieso relativ, aber nach der sensationellen Aufstiegs-Hinrunde unter Luhukay meinte ich schon die Europacup-Glocken läuten zu hören. Diesmal halten alle den Ball verdächtig flach. Selbst die Hochjubel- und Lassfallen-Presse macht auf Sanftmut. Irgendwas ist im Busche, weiß nur noch nicht was.
Kann mir auch egal sein, ich denke nur von Spiel zu Spiel. Allenfalls ein klitzekleines bisschen voraus, sind ja erst sieben Spieltage rum. Habe ne kleine aber feine Herbstreise gebucht, mit Sohnemann, erst Ingolstadt, dann Frankfurt. Zum Abschluss ins Donald-Duck- respektive Erika-Fuchs-Museum nach Schwarzenbach an der Saale. Ein Traum. Anschließend nix wie nach Hause, wollen schließlich nicht das Heimspiel gegen Gladbach verpassen. Oh mein Fußballgott, manchmal dünkt mir, ich habse nicht mehr alle.
Erstmal gehts gegen Hammerburch, den ewig alten Dusel-Dino, der ebenfalls recht passabel gestartet ist. Ich habe ein scheissgutes Gefühl, aber das will goar nix heißen. Tippe am Samstag auf einen goldenen Spätsommertag und jede Menge Fußvolk von der Waterkant. Auf jeden Fall mehr als fünfzigtausend Zuschauer, vielleicht knacken wir sogar die Sechzigmille. Kleiner Rückblick: Mein erstes Spiel gegen den HSV war 1975/76 ein Einseins, für Hamburg hat Schorsch Volkert getroffen, den Herthaner weiß ich kurioserweise nicht mehr. Vielleicht Hermandung?
Ob Dardai von olle Erwin mal was gehört hat? Ist auch Wurscht. Überhaupt Dardai. Am Anfang dachte ich mir, o weh, wenn das mal gutgeht. Der Pal wirkte auf mich ein bisschen übereifrig, mit seinen aberwitzigen Aufstellungen (Ronny als Sechser) lag er mitunter ziemlich daneben. Dass er den Klassenerhalt gebacken bekam schien auch eher der Dusseligkeit der Konkurrenz geschuldet, als seiner Trainingskunst. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich hege die leise Hoffnung, dass meine voreilige Einschätzung sich dereinst als Irrtum des Jahrhunderts entpuppt. Wäre mal was ganz Neues.
Bis dahin Ball flachhalten. Der Wind dreht sich manchmal schneller als Mitch Weiser Haken schlägt. Ich begreife noch immer nicht, wie es passieren konnte, dass wir so quasi über Nacht eine konkurrenzfähige Truppe beisammen haben. Wo doch zuvor monatelang transfertechnisch überhaupt nix zusammenlief. Bezeichnend die Aussage eines Kollegen beim Kneipenkieken gegen Frankfurt: Der Mensch wunderte sich ebenfalls über die Metamorphose unserer Mannschaft, „dabei sind es doch noch fast dieselben Spieler“. Habe ich mal eben nachgezählt: Weiser, Stark, Ibisevic, Darida macht vier Neue in der Startelf. Cigerci und Jarstein kann man fast noch dazuzählen. Musste ich ihm Recht geben, fällt kaum auf, fühlt sich aber trotzdem so an, als spielten die Jungs schon eine Ewigkeit zusammen.
Nicht zu vergessen, dass Pal D. und Rainer W. noch ein paar Trümpfe in der Hinterhand haben. Pekarik, Brooks, Schieber, Langkamp, Beerens, Allagui, wenn die alle wieder an Deck sind, ja dann…
Ach schiet, ich fang hier an zu spinnen. Läuft ja auch anderswo rund und bei uns auch nicht alles. Zweimal haben wir auch schon verloren, hätt ich ob der Euphorie fast vergessen. „Na ja, in Wolfsburg und Dortmund“, raun ich mir selbst zu. „Klar, aber da haben Darmstadt und Hannover auch gepunktet, wenn auch nicht alle beide“, quake ich zurück. Führe schon wieder die dollsten Selbstgespräche hier. Immer das Gleiche, wenn es läuft, wenn es nix zu Meckern gibt, dann sollte ich mir angewöhnen, auch mal einfach die Schnauze zu halten. Damit meine ich alle beide.