Alle reden von der neuen Hertha aber was ist eigentlich mit dem neuen Herthinho? Oder Herthinha? Oder ist es gar ein Herthinhum?
Sicher ist nur: Früher war Herthinho ein Bär mit Hüftschwung. Ein Plüschwesen, das den Innenraum des Olympiastadions betrat, als hätte es gerade im Fanblock den Lautstärkepegel gemessen und beschlossen: Da geht noch was. Er sprang, er winkte und warf Kusshände, als wollte er sagen: „Egal, wie Hertha spielt, ich spiele besser!“
Heute steht da ein anderer Herthinho. Einer, der aussieht, als hätte er kurz vor dem Anpfiff noch einen Gedichtband von Rilke verschlungen. Er schlendert. Er schaut verträumt. Seine Bewegungen sind so gemächlich, dass man sich manchmal fragt, ob er den Spielstand überhaupt kennt. Man möchte ihm eine kleine Espressotasse in die Tatze drücken und sagen: „Komm, Herthinho, wach auf – 1:0 für die anderen, mach wat!“ Aber er lächelt nur milde. So, als wüsste er etwas, das wir nicht wissen. Vielleicht, dass es im Leben wichtigeres gibt als Punkte.
Der alte Herthinho war extrovertiert, ein Bär auf Speed. Der neue ist mehr so der Typ „Ich erwarte nichts mehr vom Leben – außer vielleicht Nachspielzeit.“ Wo früher rhythmisches Hüpfen war, ist heute kontemplatives Schreiten. Wo früher Selfies mit Fans entstanden, scheint jetzt jemand innerlich zu murmeln: „Ich bin kein Symbol, ich bin ein Zustand.“ Natürlich kann man das sympathisch finden. Ein Bär, der zum Nachdenken anregt, zum Schweigen motiviert – warum nicht?! Im Stadion, wo Bierbecher fliegen und Menschen im Sitzen brüllen, wirkt diese neue Zen-Ruhe fast schon revolutionär.
Vielleicht spiegelt der neue Herthinho einfach unsere Stadt. Berlin ist schließlich auch nicht mehr die hyperaktive Party-Metropole von anno Mauerfall. Heute trägt man Vintage-Melancholie und redet über Achtsamkeit. Warum also nicht auch ein achtsamer Bär? Er winkt nicht mehr, er signalisiert. Er jubelt nicht, er reflektiert den Jubel anderer. Und während ein paar Fans sich fragen, ob der neue Darsteller einfach nur schüchtern ist, steht Herthinho da, unbewegt, ein flauschiger Siddhartha auf grünem Rasen.
Vielleicht brauchte Hertha genau diesen Herthinho. Einen, der uns nichts vormacht. Der nicht so tut, als könne er Tore schießen, wenn doch die Mannschaft manchmal schon genug zu tun hat, den Ball ins Ziel zu denken. Vielleicht ist Herthinho 2.0 einfach der ehrlichste von allen. Denn wenn man es genau nimmt, ist er gar nicht verträumt – er ist resignativ erleuchtet. Und das ist, in Berlin, ja fast schon wieder Punk.



