Wenn der Wind sich dreht

Bei mir umme Ecke gibts ne Kneipe, die nennt sich „Alles Gut“. Da gucke ich hin und wieder Fußball, meistens Hertha, logo. Da wird nicht geraucht, das kommt mir momentan entgegen, abgesehen von der Entfernung. Im „Alles Gut“ war ich diese Saison noch nicht, hat ein bisschen mit schlechten Erfahrungswerten der letzten Saison zu tun. In dem Laden gab es meistens Niederlagen, das wirkt sich negativ auf die Aura aus. (Auf die der Kneipe natürlich.) Nach den ganzen Auswärtspleiten der letzten Zeit würde es mich nicht wundern, wenn der Laden sich demnächst umbenennt in „Nichts für Ungut“ oder „Son Käse“ oder von mir aus auch noch derber. Wobei ich nicht zu den ganzen Kassandras gehöre, die gewohnt zuverlässig aus ihren Löchern gekrochen kommen und alles mies und madig machen, nur weil es momentan nicht so recht flutscht. Ich sehe das so: Wir sind auf dem nächsten Level angelangt, da müssen wir uns erstmal reinfuchsen. Alle drei Tage ein Spiel mit einer einer neuen Mannschaft und dann noch fast ohne Training, das muss man erstmal gebacken kriegen. Dardai erklärt das alles sehr einleuchtend, ich denke, die Pressekonferenzen werden auch von den meisten Krisenquatschern gekiekt, aber die Botschaft scheint trotzdem nicht anzukommen. Borniert lässt grüßen.
Ich will beileibe nicht alles rosig reden, ich mahne nur zu etwas mehr Realismus. Die Liga ist verdammt eng und wir gehören noch immer zu denen, die sich auch mal nach hinten umsehen müssen. Die nächsten beiden Spiele werden interessant und sicher nichts für schwache Nerven. Kölle im Pokal, unglaublicherweise daheim, das weckt bei mir erstmal keine allzu lustvollen Erinnerungen. Ist schon eine Weile her, kurz nach der Jahrtausendwende, das Olympi mitten im Umbau (so meine ich mich zu erinnern), wir im Pokal ausnahmsweise mal nicht früh raus. Und dann kommt Kölle, damals – wenn mich nicht alles täuscht – auch mit einer Pleitenserie vor dem Herrn am Hacken. Am Ende stiegen die Böcke auch ab. Wie dem auch sei, Viertelfinale wars, ich habe gerade nochmal nachgeschaut. Ein Mittwoch im Winter, 30. Januar. Auch noch mein Geburtstag, ausgerechnet. Kumpel Philipp (R.I.P.) hatte Zigarren bei, damit wollten wir uns nach dem Spiel den Sieg schmecken lassen. Das Halbfinale wärs gewesen. Das Ende vom Lied ist bekannt. Am Samstag danach kommt Hämburch. Eigentlich ein Lieblingsgegner, aber gerade deshalb so schwierig. Gibt ohnehin keine leichten Gegner, außer Bayern, wo man nix zu verlieren hat. Vielleicht ganz gut, dass ich nicht da bin. Urlaub mit Sohnemann, einfach mal raus.
Nochmal zum Freiburg-Spiel im „Alles Gut“. Die Hanseln dort sind sicher nicht repräsentativ, als Stimmungsbarometertest aber immerhin ein Fingerzeig. Demnach genießt Kalou derzeit nicht das allerhöchste Ansehen. Stimmt schon, manchmal wirkt er so alt, wie er nun mal ist. Ein paar unglückliche Szenen waren auch heuer dabei. Als er dann auch noch zum Elfer antrat, heulte fast die ganze Kneipengesellschaft auf. „Der geht rüber“, unkte einer. Und siehe da, der Schuss ging tatsächlich in die Wolken. Ich sags ja, Aura, Karma und das ganze Brimborium, damit soll man nicht scherzen. Ich wollte schon gehen, das mache ich im Stadion nie, aber Kneipe, dachte ich mir, das wäre in Ordnung, das zählt nicht. Aber irgendwas hielt mich zurück (wahrscheinlich Hertha, wer sonst?!). Und tatsächlich hat die Alte dann ja nochmal richtig aufgedreht. Der Maier, der Arne, das ist vielleicht wirklich einer. Lazaro gefällt mir auch immer besser. Und natürlich Selke. Und dann und dann und dann, ick gloobs nich, gibts tatsächlich noch einen Videoelfer. Für uns! Und wer tritt an. Das wird doch nicht etwa, das kann doch nicht sein..?!!!
Die Kneipengesellschaft (war recht übersichtlich, einige noch samstagabendgeschädigt) atmet durch. Als sich Kalou abermals die Pille schnappt, herrscht kurz Fassungslosigkeit. Ein paar Dösbacken sondern dumme Kommentare ab, aber diesmal leiser, die Chuzpe von Kalou macht die Unkenrufer eher sprachlos. Und abermals siehe da: Diesmal trifft Kalou, KALOU, der alte Haudegen. Und die ganze Kneipe skandiert seinen Namen. So schnell kann er sich drehen, der Wind.