Nach den letzten beiden Abstiegen hätte jeder Herthaner liebend gerne mit dem Tabellenfünfzehnten getauscht, aber wir leben im Hier und Jetzt, da ist eine Platzierung über dem Abgrund zu wenig. Fürs Gefühl wäre es zumal schöner gewesen, wenn die Dramaturgie eine andere gewesen wäre. Wenn wir nämlich monatelang auf einem Abstiegsplatz gestanden hätten und dann in allerletzter Sekunde dem Tod doch noch von der Schippe gehüpft wären.
Ungefähr so wie die Schwabmaten. Die wurden in Paderborn gefeiert wie die Meister und so werden sie sich auch gefühlt haben. So ähnlich ging es auch dem HSV, obwohl die finale Entscheidung noch aussteht. Aber wer eigentlich schon ausgestorben war und dann nochmal aus dem Ei kraucht, der wird danach nicht freiwillig Trauer tragen. Wir dagegen waren schon auf der sicheren Seite und sind dann nochmal ins Schwitzen geraten. Gefühlt haben wir den Klassenerhalt glücklichen Umständen zu verdanken, nicht eigenem Können.
Ich persönlich hatte übrigens einen gelungenen Saisonabschluss. Ein schöner Sieg (5:1) von Leicester City zum Abschluss gegen den Mitaufsteiger und nun wieder Absteiger Queens Park Rangers.
Als ich den Flug gebucht habe, Mitte April, sah Leicester noch wie ein sicherer Absteiger aus. Die Mannschaft aus der Mitte Englands war anständig gestartet, schlug zuhause sensationell ManU und schien ihr Pulver damit verschossen zu haben. Nach dem zehnten Spieltag war man in der Abstiegszone angekommen, nach dem dreizehnten auf Platz zwanzig. Das war Ende November, zehn Punkte waren erst auf der Habenseite. Zehn Spieltage vor Schluss betrug der Rückstand aufs rettende Ufer sieben Punkte.
Aber dann: Von den letzen neun Spielen gewann City sieben! Und rettete sich endgültig am vorletzen Spieltag.
Zum Abschluss kam also QPR. Ein befreit aufspielendes Leicester – mit Robert Huth als Abwehrchef (die Fans brüllten immer ‚Huuuhs‚, wenn er am Ball war – ballerte einem demoralisierten Gegner die Bälle nur so um die Ohren. Ich hockte mit meinem Gastgeber direkt unterm Dach, hatte also beste Aussicht auf die ganze Szenerie.
Was mir bislang gar nicht so bewusst war: In England gibt es so gut wie keine festen Fanblöcke (Nur Crystal Palace hat eine Ultra-Gruppe, glaube ich gelesen zu haben). Der Stimmung tat das an diesem Tag keinen Abbruch. Wenn irgendwo ein Schlachtruf einsetzte, stimmten immer viele tausend Kehlen mit ein. Andere vergnügten sich dabei, eine Sexpuppe über die Köpfe des Publikums zu bugsieren.
Aber wenn Leicester nicht gut spielt, wird mitunter auch gegrummelt wie bei Hertha, versichterte mir mein Kumpel. Dann gehts ja.
Den Bundesliga-Endkampf haben wir natürlich nicht versäumt. Hattten uns Samstag (die Premier League hat erst Sonntag gespielt, Anpfiff 15 Uhr GMT) eine Wifi-Kneipe ausgeguckt und ein Tablet laufen lassen. Die anderen fünf Gäste wollten lieber Rugby sehen.
Zwei Partien standen zur Auswahl, HSV vs Schalke und Paderborn Stuttgart. Nach dem Hamburger Zwonull sind wir nach Paderborn und haben noch die Stuttgarter Tore gesehen. Nebenbei nervöse Blicke auf meine Livescore-App wg. Hertha. Danke nochmal, Ete Beerens!
Ja, ich hätte natürlich auch gerne einen von den dicken Fischen in der Zweiten Liga gesehen, insofern war das Buli-Finale nach dem ganzen Hype leicht enttäuschend. Wir hätten in vergleichbarer Situation vermutlich ins Gras gebissen, dachte ich bei mir. Und das im Moment der Rettung, schon seltsam. Aber jut, gegen Stutengart und Hämburch haben wir diese Saison auch fette Beute eingefahren, ich will nicht undankbar sein. Mehr Zuschauer als gegen Freiburg oder Paderborn kommen auch. Also alles in Butter.
MV läuft seit ner Viertelstunde. Der ImmerHertha-Ticker schreibt: „Michael Preetz entlässt das Team in den „wohlverdienten Urlaub“. Mannschaft ab. Wieder mit Applaus, diesmal etwas wohlwollender.“
Dazu ein Foto mit leicht bedröppelten Spielern. Sehen aus wie Kinder, die dem strengen Papa ihr mieses Zeugnis zur Kenntnisnahme vorlegen.
Ich hätte auch noch was anzumerken. Wollte ich hier schon tun, verschiebs aber auf nächstes Mal. Vielleicht steht dann schon fest, wer neuer Hauptsponsor wird. Ist nämlich fast so spannend, wie die Spielplanverkündung Ende Juni.