Immer, wenn es scheinbar ganz gut läuft, stellt sich olle Hertha selbst ein Bein. Kommt euch Hobby-Spökenkiekern das irgendwie bekannt vor? Schon klar, wir haben gegen die Rangnickschen Fußball-Technokraten auch mit Kurven-Support schon deftig aufs Mützchen bekommen, aber die aktuelle Koinzidenz von sportlichem Nasenstüber und vereinsseitig sanktionierter Ostkurvenfraktion ist zu offensichtlich, als dass man darüber so einfach hinweglächeln könnte. Pal Dardai hat einen Zusammenhang nach dem Spiel zwar verneint, aber so ganz nehme ich ihm das nicht ab. Schließlich hat der Trainer selbst schon häufiger auf die verschiedenen Sphären im Hertha-Universum hingewiesen, die es seiner Meinung nach zu beachten gilt. Vor dem Dortmund-Spiel hat Pal das in einem Interview mit der Morgenpost nochmals erläutert: „(Zitat) (..) Ich versuche seit Beginn, meine gerade Linie zu halten, ob mit meiner Mannschaft, oder den Medien. Ich sehe das als ein Dreieck: Wie ist das Verhältnis zwischen Trainer und Team? Wie ist Verhältnis zwischen Mannschaft und Fans? Wie ist das Verhältnis zwischen Trainer und Fans? Wenn dieses Dreieck gesund ist, können alle gut arbeiten. (..)“ Ich fürchte, unser formidables Dreieck ist momentan leicht lädiert. Zwar wurde das Bannerverbot weder vom Trainer noch von der Mannschaft aufgestellt, aber es lässt sich schwerlich bestreiten, dass die umstrittene Maßnahme das Verhältnis des Teams zu den Fans nicht unberührt lässt.
Ich will hier nicht die Schuldfrage aufwerfen, Fußballgott bewahre! Es würde an dieser Stelle sicher auch zu weit führen, die ganze Gemengelage bis ins letzte Detail durchzudeklinieren; also über Sinn und Unsinn von Ultra-Aktionen bzw. über die besonderen Befindlichkeiten jener Herrschaften. Oder über die Angemessenheit von Polizeimaßnahmen in diesem Zusammenhang. Und nicht zuletzt über diesbezügliche Verbands- resp. Vereinssanktionen. Darüber wurde und wird sicher ausführlich und in epischer Länge anderswo berichtet. Ich will hier stattdessen einfach mal ein paar Eindrücke vom gestrigen Samstagabend schildern. Rein subjektiv, versteht sich.
Am skurillsten fand ich persönlich die Reaktion einer alten Freundin. Die kommt aus den USA, lebt seit einigen Jahren in der Gegend und geht gerne aus Geselligkeitsgründen ins Olympi. Am Samstag hatte sie für sich und ihren Gatten offenbar zwei Ostkurventickets ergattert. Jedenfalls hinterließ sie in der Halbzeitpause mehrere Nachrichten in unserer Hertha-Whatsapp-Gruppe. Was denn los sei, hat sie offensichtlich entgeistert gefragt, keine Fahnen, keine Gesänge, kein Gehüpfe, stattdessen beinahe Totenstille?? Ihre Frage in die Runde: Ob wir Herthaner etwa um den tödlich verunglückten Vereinsboss von Leicester City trauern würden?
Rührend fand ich auch die Anfeuerungsversuche aus dem Oberring, Stammplatztreffpunkt zahlreicher Alt-Herthaner. Das kehlige „HaHoHe – Hertha BSC“ zog teilweise ganz gut an, aber auf Dauer ist das nix für ältere Herrschaften, zumal der Sound im Olympi (wie jedermann weiß) nicht so wirklich fetzt. Gegen Ende der Partie, als im Grunde nix mehr zu holen war, ging plötzlich ein Ruck durch unseren Block P. Alle standen auf, ganz unten versuchte sich ein Jungspund als Einpeitscher. Das funktionierte ein paar Minuten, bis zum 0:3, dann sind die meisten rausmarschiert.
Authentisch fand ich auch Frank Zander, der in seiner unnachahmlichen Altväterkumpelmanier seine Sympathie für die schwer gescholtenen Hardcore-Herthaner („Ich bin immer bei euch“) kundtat. Eher kleinkariert fand ich dagegen, dass sich unser Stadionsprecher-Duo bei der obligatorischen Verkündung der Zuschauerzahl (50.382) zwar bei allen Zuschauern bedankte, aber auf den sonst üblichen Zusatz, „und ganz besonders bei Euch, Herthafans“, verzichtet hat. Kritiker mögen einwänden, Ironie (oder wärs Sarkasmus gewesen?) sei hier fehl am Platze. Wobei ich finde, auch die zaghaften, wenn auch wenig fruchtbaren Anfeuerungsversuche der sonst überwiegendpassiven Anhängerschar hätten eine Würdigung verdient gehabt.
Als Sohnemann und icke schlusspfiffendlich Richtung Heimatkiez schlenderten, wir hatten die Gittereingänge am Osttor justamente passiert, geschah doch noch das bis dahin Unerwartete: Von weit hinter uns erschallte das so vertraute, lautstarke und sorgfältig einstudierte „HaHohe – Hertha BSC!“ aus Richtung Ostkurve. Bisschen spät, aber immerhin. Wünsche allseits gute Besserung.