Der in privater Runde geäußerte Wunsch, dass mit dem Abgang von Herrn Kempf endlich Ruhe in Reihe 37 einziehen möge, wird sich nicht erfüllen, fürchte ich. Zur Erklärung: Mein angestammter Platz ist zwei Reihen darunter, also 35, gestern saß ich ausnahmsweise in Reihe 36. Die Plätze waren urlaubsbedingt frei, ich wollte ausprobieren, ob sich Herthas Rasengeschacher aus geringfügig anderer Perspektive auch anders anfühlt.
War tatsächlich so, nur leider ganz anders als erwartet. Das nahezu permanente Rumgeblöke in besagter Reihe 37, welches ich bislang nur als eine Art Hintergrundrauschen wahrgenommen hatte, drang nun mit voller Phonstärke an mein Ohr. Einen derartigen Ausfluss verbalen Unrates habe ich bei Hertha schon lange nicht mehr miterleben müssen und das will was heißen.
Die Spezies der Meckerköppe wurde in den frühen Tagen dieses Blogs bereits mehrfach einer Betrachtung unterzogen. Bei diesem Menschenschlag gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen, vom stillen Grummler bis zum tobsüchtigen Choleriker sind sämtliche Schattierungen im Habitat Olympiastadion anzutreffen, bei Wind und Wetter, in jeder Liga.
Es ist keine allzu gewagte These, dass mit steigendem Alter respektive zunehmender Stadionerfahrung die Toleranzschwelle bezüglich der dargebotenen Leistungen stetig abnimmt. Auf gut deutsch: Je näher der gemeine Herthaner ans Rentenalter heranrückt, desto ungezügelter verschafft er seinem Unmut Luft. Ich ertappe mich mitunter selbst dabei, bin immerhin auch schon siebenundfünfzig. Irgendwie auch nachvollziehbar: Wenn die zu erwartenden Lebensjahre abnehmen, wird einem zunehmend bewusst, dass die Aussicht auf blau-weiße Titel und Triumphe das sind, was sie im Grunde immer schon waren: naive Hirngespinste.
Aber zurück zu Reihe 37. Bei besagten Pöblern scheint es sich um eine Vater-Sohn-Konstellation zu handeln. Dabei gibt der Senior den aggressiven Krakeeler, während sein mutmaßlicher Filius die wenigen Schreipausen mit kleinen Gehässigkeiten in Richtung der Spieler anfüllt, was wiederum den Brüllaffen anzustacheln scheint. Bei den üblichen, eher zähen Spielverläufen unseres Herzensvereins steigert sich diese negative Rückkopplung zu einem Level der Niedertracht, dass man sonst nur aus Büchern über Hexenverfolgungen und ähnlichen Abgründen der Menschheitsgeschichte kennt. Wobei ich dem Jungspund durchaus analytische Fähigkeiten zugestehen will. Es gab einen Moment, da fabulierte er von einem Impuls, der jetzt mal kommen müsste. Ja, genau, dachte ich, das ist der richtige Ansatz!
Da waren ungefähr 60, 70 Minuten gespielt und es sah nicht unbedingt danach aus, dass Hertha in dem Glutofen noch was reißen könnte. Leider ließ sich der Knabe dann schnell wieder von seinem alten Herrn zur Destruktion verleiten. Kann mir allerdings auch gut vorstellen, dass er den (in Wahrheit ungeliebten) Stadionbesuch nutzt, um seine manipulativen Fähigkeiten weiter zu verfeinern. Ich werde es weiter beobachten, aber beim nächsten Besuch wieder eine Reihe tiefer.