Wer jetzt immer noch in Jubelpose vorm Spiegel verharrt, sollte mal nachlesen, wie gestern kurz vor Kalous 1:0 in den einschlägigen Foren von einzelnen Miesmachern gegen unsere Helden geätzt wurde. Das ist immer wieder hochinteressant, wie ein Tor die Sichtweise nahezu komplett verändern kann. Von zwei oder drei grandios herausgespielten Toren ganz zu schweigen. Ich fands ja auch famos, das Dreinull im Fohlenstall, aber gerade nach so einem Spiel sollte man sich die alte Beckenbauer-Regel zu Herzen nehmen: Nach Siegen eins auf den Deckel, nach Pleiten einen aufmunternden Klaps.
Schreiten wir also zur Kritik: Von wegen großartig gespielt, bestes Auswärtsspiel seit Jahren usw. Meiner bescheidenen Meinung nach kamen gegen Glädbäcksn rein zufällig ein paar für uns günstige Faktoren zusammen. Erstens: Am Niederrhein wurden in den Tagen vor dem Spiel erstmals zarte Meistergefühle geweckt. Tiger Steffi Effenberg höchstselbst hat seinem Ex-Klub den Erfolgshonig ums Mäulchen geschmiert. Außerdem wurde die supertolle Heimserie bis zum Erbrechen ruff und runter gepriesen. Merke: Lobhudelei verstellt den Blick und lähmt die Beine. Auch, dass die VfL-Borussen noch kein Tor in 2019 kassiert hatten wurde lauthals verkündet, ebenso, dass bis Samstagnachmittag bei Borussens sogar nur drei Gegentore gezählt wurden. Hinzu kam, dass unserer Alten wegen der 120 Pokalminuten ein krasser Kräfteverschleiß unterstellt wurde (ich hab das auch befürchtet). Dazu fehlte mit Lazaro einer der Besten, Junior-Stammkraft Maier konnte auch nicht mitwirken. Und on top: Hertha hatte seit anno Favre nicht mehr dortselbst gewinnen können. All das stieg der Heimelf übermäßig zu Kopfe und wirkte umgekehrt beim Gegner – unserer leidgeprüften Alten – wie eine Portion Extra-Motivation. Also schön Mund abputzen und den Sieg (so grandios er trotzdem auch war) lieber nicht zu hoch hängen.
Ich will nicht zuviel Wasser in den Wein kippen, es war schon ganz ok. Und tröstlich, nach den letzten beiden Schlappen. Für mich übrigens ganz besonders, ich habe das Spiel nämlich inner Berliner Borussenkneipe gekiekt. Die ist zufällig bei mir umme Ecke. Spreeborussen nennen sich die dort ansässigen Herrschaften. Etliche waren da, so voll hab ich die Pinte noch nicht erlebt, jedenfalls nicht, wenn Hertha gespielt hat. Am meisten verstört hat mich, dass die Spreebacher mit Berliner Kodderschnauze gegen Hertha abgelästert haben. Klang in meinen Ohren irgendwie surreal, diese sattsam bekannten Plattitüden aus dem Gossenjargon. „Lass liegen, tritt sich fest“, wenn ein Blau-Weißer am Boden lag. Übertrieben empörtes Genöle bei Pfiffen gegen Mönchhausen bzw. wenn ein vermeintliches Hertha-Foul nicht geahndet wurde. Schon krass, wie gewöhnungsbedürftig der hiesige Sound auf einen Eingeborenen wirken kann. Wenn ich mittenmang unter Meinesgleichen am Rumprollen bin, fällt mir das gar nicht auf. Seltsam, seltsam. Gegen Ende des Spiels wurden die Spreemönche naturgemäß etwas weniger redselig, die anwesenden Herthaner (ich kannte nur einen, hab ihn allerdings erst nach Abpfiff erkannt) hielten sich mit Häme berlin-untypisch zurück. Icke ebenfalls. Bei unseren Toren habe ich nicht – wie sonst üblich – gebrüllt wie ein Irrer, dafür umso heftiger in die Hände geklatscht. Betont diskret, selbstverständlich. Die Handflächen tun mir immer noch weh, autsch. He he he.