Nächstemal nur zu Hertha

Selbst Schuld. Ich musste ja unbedingt zu Union, hatte einfach Bock auf Liveatmo, grünen Rasen, urst Durst und die altförstersche Ossimischpoke. Viernull haben unsere Ex-Freunde hinter Stacheldraht die badischen Wessifreunde abgefidelt. Ganz unspektakulär, ohne jegliche Anbrenngefahr. Den Unionern wars wie üblich einigermaßen egal, was ihre Fußballgötter da veranstalteten, wichtiger ist bei denen ja das ganze Gepränge drumherum. Singsang, Kumpel hier, Keule da, Alte Försterei über alles. Und nur zu Hertha gehn wa nicht. Ich kenne Kollegen, die sich wegen dem Liedchen aufn Schlips getreten fühlen. Kann ich nicht nachvollziehen, ganz ehrlich. Sollt mal sehen, was die Neidhammel noch alles dichten, wenn wir erstmal Meister sind. Dauert nicht mehr lang, Platz zwei haben wir schließlich schon erklommen.
Der Hammer – oder etwa nicht?! Jut, erst zwei Spieltage vorbei, aber nach zwei Spieltagen sah es auch schon mal ganz anders aus. Ganz anders sah es auch VOR zwei Spieltagen aus! Gar nicht zu reden VON VOR dem Pokalspiel!!
Hoch schlugen die Wellen, weit über die Reling des alten Hertha-Dampfers, um mal ein besonders billiges Bild zu pinseln. Schuld waren das Euro-Aus und Herthas relativ bescheidene Transferaktivitäten. Ein übriges steuerte die aktuelle Werbekampagne bei, mit der sich nicht jeder Eingefleischte hundertpro identifizieren mag. Zu abgehoben, finden einige. Hertha schäme sich wohl seiner proletarischen Anhängerschar und schiele nun auf die Hipster-Szene der Metropole. Und dann noch pinke Trikots, pfui deibel, uncoole Wampe.
Wobei das mit dem Proletarierverein auch nicht ganz stimmig ist, wenn ich recht rekapituliere. Hertha war immer auch ein Stück weit kleinbürgerlich spießig. Möchtegern gernegroß, um nicht zu sagen. Von daher passt das schon wieder, dass man sich mit den eitlen Werbefritzen Jung von Matt schmücken will und mit der leidlich peinlich daherkommenden Startup-Attitüde bei Neu-Hauptstädtern punkten will. Der Spruch #we try, #we fail #we win ist immerhin in aller Munde, wenn sich auch viele das Maul zerreißen und drollige Witzchen machen. Schlimmer wäre es wohl, wenn sich überhaupt niemand drüber mokieren würde. Alte Reklameweisheit gilt immer noch: Egal, was drüber gesprochen wird, Hauptsache, es wird überhaupt drüber gesprochen. #altklug
Aber ich war ja bei Union stehengeblieben. Da war ich am frühen Samstagnachmittag. Hatte mir vorher extra ausgerechnet, dass, wenn ich zehn Minuten früher abhaue, noch fast genau pünktlich zum Anpfiff im Hecht aufschlage. Habe ich mich leider etwas verrechnet. Wobei das sicher besser geklappt hätte, wenn ich der Webmaster-Empfehlung gefolgt wäre und mich komplett auf meine BVG-App verlassen hätte. Stattdessen habe ich mich auf meine vermeintliche Kenntnis des S-Bahnnetzes verlassen. Icke also fröhlich zum Ostkreuz gependelt, von wo aus ich weiter wollte, nämlich volle Kanülle Richtung Westen, schööön ab durch die Mitte. Ist zwar alles voll korrekt ausgeschildert, fährt aber bis auf Weiteres kein Zug nicht. Jedenfalls nicht Richtung Westen, fast wie zu DDR-Zeiten. Bis ich das gerafft hatte, verstrichen wertvolle Minuten. Zu allem Überfluss anschließend noch vor Aufregung in die falsche Bahn Richtung Schönefeld gehüpft. Gemerkt habe ich es eine Station hinter Baumschulenweg. Zum Anpfiff war ich immerhin in der richtigen Richtung unterwegs, Ibisevics Tor habe ich irgendwo zwischen Neukölln und Tempelhof per Sofascore mitbekommen. Kurz vorm Halbzeitpfiff hatte ich endlich mein Frischgezapftes vor mir stehen.
Was sich mir in der zweiten Hälfte darbot, war solides Bundesligafußwerk, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Besser sah das schon bei Schalke aus, unserem frisch renovierten Lieblingsfeind. Habe mir deren Freitagskick gegen die Großkopferten reingezogen und war einigermaßen angetan. Wie die meisten Beobachter. Wobei Kollege Sueven richtigerweise zu bedenken gab, dass es einige Punkte zu beachten gäbe. Ich zähl mal auf.
Punkt eins: Die Knappsten müssen Donnerstag in der Euroleague ran (Einwand: das macht nix, im Gegenteil, da können die sich noch ein bissel besser einspielen). Wichtiger ist aber sowieso Punkt zwo: Ein Spiel gegen Bayern ist immer etwas anderes, da hängt man sich voll rein, weil man nix zu verlieren hat (so wie wir am 4. Spieltag). Bei uns haben die Essnullvierer aber wieder was zu verlieren, und zwar so richtig. Weil sie nämlich keinesfalls nochmal verlieren dürfen. Schon gar nicht bei Hertha. Zuguterletzt Punkt drei, weil zwei einer zu wenig wären. Also: Drei Startsiege am Stück sollten nach zuvor deren zwo keine unüberwindliche Hürde mehr darstellen. Sind schließlich aller guten Dinge.