Ich staune über mich selbst: Vor wenigen Wochen stand ich kurz vor der Hertha-Abstinenz, seit Beginn der C-Maßnahmen-Sommerpause binnick wieder voll druff. Anonyme Herthaner lassen Grüßen. Gut möglich, dass es im Herbst wieder einen Rückfall gibt, wenn die Neuste, die wirklich echt richtig krass tödliche Variante rumzickt. Oder wenn die Russen da sind. Oder beide oder die Chinesen oder ganz was anderes, irgendwie hängt ja alles mit allem zusammen, wissen wir spätestens seit Alexander von Humboldt. Oder etwa nicht?!
Zurück zu Hertha. Ich war mal wieder inne Kneipe, Hertha kieken. In Schöneberg, Erk Lounge. Tipp von einem alten Vereinsgenossen. War jut jewesen. Wir hockten zu dritt im Hinterzimmer: Der Kumpel, icke und ein Gast mit Hertha-Cap uffm Kopp und kroatischen Wurzeln inne Biografie. Seit 1989 in Berlin sesshaft, gelernter Tankwart. Wird heutzutage nicht mehr angeboten, so eine Tankwart-Lehre, habe ich gelernt. Mittlerweile macht er irgendwas mit Gebäudesanierung, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich mache mir nämlich keine Notizen für meine Bloggeschichten und nehme auch nix neumodisch digital auf, alles, was ich hier in die Tasten kloppe, fließt total oldschool ausm Resthirn direkt in die Fingerchen. Woher das Hirn wiederum die Infos saugt, da streiten sich die Geister.
Womit wir wieder beim Thema wären: Streit, der ewige Streit ums neue Stadion nämlich. Während die Alte ums nackte Überleben im Hier und Jetzt kämpft, denken Vorausdenkende längst an die ferne Zukunft. Ein angestaubtes Berliner Presseorgan bemächtigte sich eben jener Stadion-Streitfrage in bewährter Pro-und-Contra-Manier, um sie der ins Netz abgewanderten Kundschaft als Papier-Kaufanreiz unterzujubeln. Habe mir die Zeitung nicht gekauft und habe es auch nicht mehr vor, u. a. weil Harald Martenstein dort übelst weggedisst wurde; bin lediglich auf Elon Musks Freisprechanlageobjekt drüber gestolpert. Ein Kommentator namens Riess, Bernhard tat seine Meinung ebendort folgendermaßen kund:
„Hertha braucht kein neues Stadion! Hertha hat in jahrzehntelanger Kleinarbeit viele, sehr viele Fans vergrault. Aber die kommen auch nicht wieder, nur weil in einem neuen Stadion gespielt wird.“
„Wen denn zum Beispiel“, wollte ein anderer wissen, der sich sinnigerweise „Masochisten für Hertha“ nennt. „Sie wollen ein Beispiel – bitte:“, ließ sich Herr Riess nicht lange bitten. Und schrieb weiter: „(A)m 28.08.1970 waren zum relativ unbedeutenden Bundesliga-Spiel Hertha BSC – RW Oberhausen 70.000 Zuschauer ins Olympiastadion gekommen. Das Fanpotential war also da. Und von denen wurden eben so Einige vergrault.“
Einer der Zeitungsleute wollte der Diskussion zu etwas mehr Tiefgang verhelfen und merkte an: „Ist da nicht was Wahres dran, was Riess sagt? Ich wundere mich, seit ich 1988 in Berlin bin, warum so viele Ur-Berliner schlecht über Hertha reden (über das „normale“ lokale Maß hinaus, das ich aus dem Ruhrgebiet kannte). Warum ist das so?“
Auf meinen Hinweis, dass Schlechtreden hierzulande zum guten Ton gehöre (hashtag: kannstenichmeckern), fragte der Kollege Pressefritze, ob das „mit der Aura des Vereins gar nichts zu tun“ hätte? Kann schon sein, so meine Replik, wobei ich zu bedenken gab, dass „Aura ein schwer fassbares Phänomen“ sei.
An diesem Punkt hätte es interessant werden können, aber da kam nix mehr, was auch ganz gut so war, weil das Spiel in Bielefeld gerade begonnen hatte. Außerdem hatte ich gerade ein frischgezapftes Bier vor mir stehen.
PS: Ich freue mich. Auf die letzten beiden Spiele. Von mir aus auch noch auf die Relegation. DAZN habe ich gekündigt, bin wieder öfter an der frischen Luft, muss schließlich an meine Gesundheit denken. Prösterchen.