Den Satz des Tages hat Vereinskamerad Bläsing rausgehauen, der liebenswerte Chef (Ex-Chef?) der blau-weißen Kegelbrüder und -schwestern: „Bei Hertha tritt man nicht aus, bei Hertha stirbt man.“ Genau, mein Lieber, tausend Tode bin ich schon gestorben!, hätte ich ihm am liebsten zugerufen; dabei war Bläsings Credo wohl eher auf einen Vorredner gemünzt, der die stagnierende Mitgliederzahl angeprangert hatte und diesem Missstand – im Falle erfolgter Wahl – tatkräftig entgegenzutreten gedachte.
Ich musste spontan an zwei alte Sportsfreunde denken, die vor nicht allzu langer Zeit ihre Hertha-Mitgliedschaft gekündigt haben. Der eine hat mir gegenüber seinen Austritt ungefragt begründet, mir fällt aber beim besten Willen nicht mehr ein, was genau der Grund war. Unterm Strich wohl allgemeine Unzufriedenheit gepaart mit Alltagsfrust. Der andere Kumpel hat gar nicht erst den Versuch gemacht, sich zu erklären. Wird eine ähnliche Gefühlsgemengelage gewesen sein, vermute ich. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir dieser unschöne Gedanke nicht auch schon des Öfteren gekommen wäre, im Laufe der letzten bald dreißig Jahre. Anlässe gab es weiß Gott genug. Aber: Selbst im dunkelsten Keller glimmt tief in mir stets ein zartes Fünkchen Hoffnung, es mögen eines schönen Tages goldene Zeiten anbrechen, die einem den monatlichen Obolus um ein Vielfaches entschädigen.
Ich bin vermutlich nicht der einzige, anders kann ich es mir nicht erklären, dass nach geglückter Beförderung des Kurven-Vorsängers a. D. zum allmächtigen Vereinsvorsitzenden spontane Freuden-Anfeuerungsrufe ausbrachen. Freunde, was kann es schöneres geben?!
Dabei war ich bis zur Verkündung des Ergebnisses nicht restlos überzeugt, ob das Herthavolk reif für einen Präsidenten Bernstein ist. Bis vor wenigen Monden wäre er nicht unbedingt meine erste Wahl gewesen, gebe ich zu. Meine anfängliche Skepsis wich allerdings bald einem wachsenden Interesse, geschürt durch etliche Interviews, aber auch sonstige Kommentare des Unternehmers mit der Ultravergangenheit, die sich wohltuend vom üblichen Funktionärssprech abhoben.
Überzeugt hat mich vor allem ein Spruch, der durch die sozialen Medien geisterte, als es bei Hertha aus vermutlich nichtigem Grund mal wieder mächtig schepperte. Da riet Kay Bernstein allen Beteiligten zu einer gemeinsamen „Yoga Session“. Nicht, weil er einen billigen Witz reißen wollte, nein, das hat er ernst gemeint, der Bernstein, bin ich felsenfest überzeugt.
Noch mehr Wunder sollte man dennoch nicht erwarten. Bernsteins Bewerbungsrede war nicht schlecht, aber hat mich auch nicht vom Hocker gehauen. Trotzdem, der Typ hat Charisma und wirkt, auch wenns abgedroschen klingt, absolut authentisch. Jawollo, meine alten Damen und Herren, der junge Mann meint ganz offensichtlich, was er sagt und wird sich ganz gewiss den Allerwertesten für unseren Lieblingsverein aufreißen, gar keine Frage.
Zugute kam Kay B., so viel Ehrlichkeit muss sein, die missglückte Bewerbung des Handballvereinsexperten Frank S. Dessen einstudiertes Politgepolter, leutselig und hemdsärmelig mit einer Prise Buletten-Berlin, erinnerte all zu sehr an alte westberliner Frontstadtschule. Immerhin rund 1200 Mitglieder hätten lieber dem alten Hasen resp. Fuchs das verpulverte Windhorst-Investment anvertraut. Wäre Herr Reinicke gewählt worden, hätte ich das selbstverständlich akzeptiert, so viel Loyalität muss man als Mitglied aufbringen. Bin allerdings heilfroh, dass ich die Kröte nicht schlucken musste.
Klinsmann wars 🙂