Kleine Wohlfühl-Oase

Alles andere als ein Sieg gegen Werder wäre natürlich eine herbe Enttäuschung. Oder etwa nicht? So ganz schlau werde ich aus der neuen/alten Hertha noch nicht. Zweimal gewonnen, schön und gut, zweimal zu null, auch nicht verkehrt, zweimal war nicht unbedingt damit zu rechnen. Trotzdem ist es so, das macht mich stutzig.

Bielefeld hatte ich via Bildschirm im Hecht verfolgt, der einst verruchten, verrauchten Stutti-Pinte. Die mausert sich für mich langsam zur Glücksbringer-Kneipe. Was ich in dem Lokal vom Spiel erkennen konnte, sah zumindest seriös aus. So nennt man das wohl, wenn es nicht spektakulär, aber erfolgreich ausgeht. Die roten Trikots waren auch in Ordnung.
Gegen Augsburg war ich live vor Ort. Mein erstes Auftakt-Auswärtsspiel seit 2006. Damals Wolfsburg, ein dröges nullnull.
Diesmal also Augsburg. Laut Geschichtsbuch ein uraltes Kaff, noch aus Römerzeiten, seither ist allerdings ne Menge Menge kaputt gegangen. Was nicht zuletzt an Firma Messerschmitt lag, die in der alten Fuggerstadt Flugzeuge für Kriegszwecke produziert hat. Noch heute ist dort Flugzeug-Zulieferindustrie angesiedelt.
Das habe ich mir nicht etwa selbst angelesen, sondern wurde mir von Uli, einem Quasi- Einheimischen, erklärt. Uli hatte uns darüberhinaus zwei Tickets organisiert und war auch sonst um unser leibliches und geistiges Wohl aufs rührendste bemüht. Uns meint in diesem Falle die HerthaUnser-Sektion Stadionverbot (HUSSV) und meine Wenigkeit. (Uli ist ein bayerischer Berlin-Reisender aus beruflichen Gründen und aus diesem Zusammenhang ein alter Bekannter der HUSSV. Die HUSSV wurde nach dem ersten Auswärtsspiel aufgelöst und in das „HerthaUnser Amt für Kommunikation, Händeschütteln und Schulterklopfen“ (HUAfKHS) umgewidmet. Das nur nebenbei.)
Wat gibbet sonst noch über Augsburg zu sagen? Der örtliche Fußballclub jedenfalls gefällt sich in der Rolle des guten Gastgebers, was sich darin äußert, dass vorm Spiel die Hymne der Gastmannschaft gedudelt wird, in unserem Falle „Nur nach Hause“. Das Stadion folgt dem Prinzip Baukasten, steht schmucklos auf ner ehedem grünen Wiese, ringsherum Straßenland, könnte bei Bedarf wahrscheinlich noch aufgestockt werden. Insider-Uli vermutet (und er ist kein Spinner), dass rund zehn Prozent der FCA-Mitglieder Bayern-Fans sind. Warum? Weil man als FCA-Mitglied immerhin zwei Bayernspiele pro Saison live miterleben kann (siehe Ticket-Vorkaufsrecht). Gesetzt den Fall, Uli hat Recht (ich behaupte ja) und das Gleiche gilt für den FC Ingolstadt (liegt nahe), dann kriegt man leicht einen Eindruck, was es mit der Bayern-Dominanz noch alles auf sich hat.
Das Fußball hauptsächlich Kommerzkacke ist, darauf hatten wir uns ja schon geeinigt. Habe in der letzen 11Freunde-Ausgabe ein Interview mit HSV-Fans gelesen, darunter ein gewisser Olaf Kortmann. Wer ihn nicht kennt: Der Herr Kortmann ist ein HSV-Insider, kommt eigentlich aus der Sparte Volleyball, arbeitet als Berater und Coach (nicht nur Sport). Sinngemäß sagte er in dem Gespräch: Wer weiß, wie das Fußballgeschäft funktioniert, der kann kein Fan sein.
Ich fürchte, der Mann liegt nicht ganz falsch. Ich versuche deshalb auch krampfhaft, nicht alles verstehen zu wollen, was da so vor und hinter den Kulissen abgeht. Hin und wieder lasse ich auch Euch, liebe LeserInnen (Gender, Baby!), mit gezielten Desinformationen an meiner kleinen, heilen Hertha-Welt teilhaben. Dafür erwarte ich keine Dankbarkeit. Denn ich weiß, so ganz ohne Hertha würde uns was fehlen. Und je weniger wir wissen, desto eher schafft es die Alte, uns hin und wieder zu überraschen. Und jetze freuen wir uns jemeinsam janz dolle uff Freitag.