Hubschraubereinsatz

Bin nochmal kurz in Winterschlaf gefallen, deshalb ruhte der See hier ein wenig stille in den letzten Tagen. Momentan weiß ich eh nicht so recht, worüber ich hertha-technisch lamentieren soll. Die harten Fakten werden sowieso woanders abgearbeitet, Google-News liefert den Beweis. Für Hertha-Junkies und sonstige Neandertaler, die wegen verschleppter Drogenprobleme irrtümlich bei www.herthaunser.de hängengeblieben sind, hier der aktuellste Tratsch über unseren heißgeliebten Spießerklub im Schlagzeilen-Telegramm: „Auswahl-Frust bei drei Hertha-Stars“ (BZ), „Tischtennis: Hertha und Tegel verlassen 2. Liga“ (Tagesspiegel), „Hertha: Aufstiegsfeier auf St. Pauli?“ (kicker-online), „Alfredo Morales gelingt dank Klinsmann der Durchbruch“ (Morgenpost), „Wird dieser Russe der neue Lasogga?“ (BZ), „Bundesliga: Kerstin Lasogga will Sohn bei Hertha öfter spielen sehen“ (Morgenpost). Da brauche ich gar nicht groß
rumklicken, der Trend ist eindeutig: Lasso zieht nach dieser Runde weiter. Nachdem er 2011 auf unserer Weihnachtsfeier aufgekreuzt ist, war das einem kleinen, exklusiven Kreis ohnehin klar.
Nun werde ich aber rasant von der Aktualität überholt: Am Olympi hat es bei einer Polizeiübung einen Toten gegeben. Zwei Hubschrauber sind irgendwie ineinandergerauscht. Auf „HerthaInside“ wird das Thema schon angeschnitten. Grundtenor bislang (ich zitier mal anonym): „Ticken die jetzt total aus? Demnächst gibt es also Hubschraubereinsätze über den Köpfen von Fußballfans.“ – „Ich will den Gedanken gar nicht weiterdenken, aber wenn die sich schon bei ner Übrung so anstellen, was machen die erst, wenn es ernst wird? (..) – „Die wollten der versammelten Journaille mal die dicken Eier zeigen, wie kompetent sie in Sachen Hooliganbekämpfung sind, dazu gehörte dann wohl auch die Propaganda-Flugshow. Wir sind schließlich nicht im Bürgerkrieg, wo man im Tiefflug über die Köpfe der mehrheitlich friedlichen Fans fliegen muss.“ – „Mein Beileid den Angehörigen…und Euch ignoranten Arschlöchern.“

Damit ist schon mal eine Menge gesagt. Morgen werden wir bestimmt lesen, was die „Hertha-Stars“ (BZ) und deren Vorgesetzte zu melden haben. Davon abgesehen bin ich gespannt, in welche Richtung das jetzt medial weitergedreht wird. Abgesehen von der menschlichen Tragödie, natürlich.
Es wird vermutlich nicht ausbleiben, das Thema Gewalt und Fußball erneut zu thematisieren. Ich bin es ehrlich gesagt leid. Mir vermittelt sich dabei immer der Eindruck, Fußball sei ursächlich für Gewalt. Richtig ist, dass Gewalttätigkeiten beim Fußball besonders sichtbar werden, weil schon mal mindestens die ganze Fußballwelt auf alles glotzt, was rund ums Runde, das ins Eckige soll, passiert. Übrigens: Fußball ist kein Mädchensport! Von wem stammt dieses Bonmot eigentlich? Sepp Herberger? Oder Otto Rehhagel? Ich habe keinen Schimmer. Wer es weiß, bitte vortreten. Eine interessante Gedankenübung ist es auch, sich einmal das traditionelle Fussi-Vokabular zu Gemüte zu führen: Da wird gestürmt, geschossen, blutgegrätscht, Granaten werden abgefeuert (wenn Ronny Freistöße schießt, entfährt mir mit Vorliebe ein markiges „Bombe!“). Sport kann man das eigentlich nicht mehr nennen, da hängen zu viele
Existenzen dran, wie wir aus schmerzlicher Erfahrung wissen. Geht nicht zuletzt um einen ganzen Batzen Kohle. Wir mit unseren Schulden zum Beispiel, wir sind ja im Grunde so etwas wie das Zypern der Bundesliga (in der Zwoten sind wir komischerweise immer noch Krösus). Ich habe das irgendwann schon einmal thematisiert, damals eventuell mit Giechenland als Analogpartner. Wenn ich mir die Demos in Athen vor Augen führe, das sah nicht viel anders aus, als im Mai 2012 auf dem Rasen des Düsseldorfer Rheinstadions, hat nur der rheinische Frohsinn gefehlt.
Nur eins noch, dann ist Schluss: Trotz der traurigen Ereignisse, die sich heute hinter dem Marathontor abgespielt haben, sollte die Frage erlaubt sein, ob es nicht vielleicht doch sinnvollere Übungen für die ausführende Staatsgewalt gibt, als mit massivem Aufgebot unter Zuhilfenahme von schwerem Gerät das Eindämmen von Fußballkrawallen zu simulieren.ya-zasnyal