Hertha, mach hinne

[image caption=“Kleiner Horror-Laden, Nürnberger Straße Ecke sowieso“ image_link=“/wp-content/uploads/2014/08/horror.gif“ float=“right“ style=“round“/]Erster Spieltag, ick hör dir trapsen. Fußballfanatiker rechnen meist nach Milchmädchenart, heißt auf unseren Auftakt bezogen: Wir haben vierzwo gewonnen, Werder musste in die Verlängerung, um dreizwo zu gewinnen. Sollte demnach also knapp reichen, nächsten Sonnabend. Soviel zur Pokal-Ouvertüre in Kölle.
Ich habe mir mein Sonntagsvergnügen in Neukölle gegeben. Tasmania gegen Tennis Borussia, ein Westberliner Klassiker aus grauer Mauerzeit. War mein zweiter Besuch im Werner Seelenbinder Sportpark, dem kleinen aber feinen Stadion am südöstlichen Rand des Tempelhofer Feldes. (Hach, das Tempelhofer Feld, der Ex-Innercityflughafen. Ich bin auf dem Hin- und Rückweg durchgeradelt, wirklich ein Luxus, so eine geile Freifläche mitten in der Stadt. Und so viel Platz für ein Stadion. Immer noch der geilste Platz, falls eines schönen Tages. Aber lassen wir das erstmal ruhen…).
Der Aufstieg ist erklärtes Tebe-Ziel, dafür wurde die Mannschaft entsprechend aufgerüstet. Unter anderem mit Ex-Herthaner Lennart Hartmann. Für mich fast der auffälligste Spieler, wenn da nicht Micha Fuß wäre. Der alte Mann schleicht immer noch im Sturm herum. Immer wieder ein Genuss. Der ist mittlerweile fast vierzig und bewegt sich nur noch, wenn es unbedingt sein muss. Aber wenn er seine Chance riecht, dann ist er spitzer als alle Lumpis aus der Nachbarschaft. Diesmal hat er sein Törchen mit dem Kopf gemacht, das Einsnull. Hat nicht gereicht, sehr zum Ärger des Tennistrainers. Volbert heisst der Mann, ein glatzköpfiger Wüterich mit Rasierklingen unter den Achseln. Ich hatte mir einen Platz in der Nähe der TeBe-Bank ausgesucht, nicht absichtlich, das hat sich so ergeben. Ich wollte nur nicht bei den TeBe-Fans hocken, das war der Grund. Die trällern nämlich die ganze Zeit so einen Pfadfinder-Singsang, da fühle ich mich immer wie am Lagerfeuer. Ansonsten sind sie ja sehr nett.
Auf meiner Seite war der Mini-Tas-Block, auch sehr rührig. Und ein paar versprengte Alt-Tennisborussen. Die sehen meistens aus wie hängengebliebene Ex-Kommunarden, ist mir nicht zum ersten Mal aufgefallen. Nicht unsympathisch, aber auch sehr eigen. Nur ein Beispiel: Von mir aus gesehen links von der Gästebank brüllte ein Tennisfan in relativer Lautstärke seine Anfeuerungsrufe, oder was immer das Gegrunze zu bedeuten hatte. Ich saß ein wenig rechts von der Gästebank, hinter einem weiteren Tennisfan. Der hat sich über das Gegreine seines Fankollegen echauffiert, er lamentierte, dass er sich doch extra NICHT in den Fanblock auf der anderen Seite gesetzt habe, weil er seine Ruhe will. Hat er aber mehr zu sich und uns Tribünen-Nachbarn gesagt. Hin und wieder kamen auch spitze Bemerkungen in Richtung des Tennistrainers aus seinem Mund. Teilweise nicht unlustig. Als Volbert sich mal wieder über eine misslungene Aktion seiner Schützlinge aufregte und seinen Assis, Physios und Bankdrückern erklärte, wie man es hätte besser machen können, kommentierte der unbekannte Anhänger trocken: „Unser Trainer scheint ja ein Perfektionist zu sein.“ Ich weiß nicht, ob Volbert das gehört hat, reagiert hat er jedenfalls nicht. Wahrscheinlich, weil er die ganzen neunzig Minuten unter Strom stand. Der ist die ganze Zeit an der Seitenlinie auf und abgetigert und hat sich tierisch aufgeregt über die verschiedenen Unzulänglichkeiten seiner Mannschaft. Inmitten seiner Lamentiererei hat er unversehens und quasi übersprungshandlungsmässig in die Hände geklatscht und seine Jungs angefeuert. Vielleicht ist ihm zwischendurch bewusst geworden, dass auch der Psychologe in ihm gefordert ist. Ich würde gerne wissen, wie er sich in der Kabine gibt. Vielleicht ergibt sich mal eine Gelegenheit, das in Erfahrung zu bringen.
Tebe hat nach drei Spielen fünf Punkte, für einen Titelanwärter vielleicht zu wenig. Allerdings ist die Berlin-Liga diesmal eng beisammen, so scheint es. Besonders spannend finde ich die Liga übrigens auch deshalb, weil mein Heimatverein CFC Hertha 06 das erste Mal in seiner über einhundertjährigen Geschichte mit von der Partie ist. Als D-Jugendlicher (2. Mannschaft) habe ich davon geträumt, mit meinen Kumpels bis in die Bundesliga durchzumarschieren. Es ist ein Traum geblieben, ich bin bis heute ein Träumer. Für Träumer ist die Zeit vor dem ersten Spieltag die schönste der ganzen Saison. Alle stehen bei null Punkten, nie ist die Chance größer, die Tabellenführung zu erobern. Es wird langsam Zeit.
ya-zasnyal