Geburtstagsprotokoll

Ich bin nicht nur Hertha-Mitglied sondern seit ein paar Jahren auch beim Förderkreis Ostkurve (FKO). Die jungen Leute sollte man unterstützen, dachte ich mir, Fahnen und Transparente basteln ist allemal besser als auf der Straße abhängen, kiffen und saufen. Wobei das eine das andere nicht ausschließen muss.

Der FKO ist so etwas wie die Dachorganisation der Hardcore-Herthaner, man versteht sich als fußballkulturelle Avantgarde. Brauchtumspflege gehört dort zu den vornehmsten Pflichten. Dienstag wurde gefeiert, der 131. Gründungstag des BFC Hertha 1892, Keimzelle von Hertha BSC. Ich hatte keine anderen Pflichten und wollte mir vorm Schlafengehen noch ein wenig die Beine vertreten, also nix wie hin, stellvertretend für alle, die im Urlaub oder auf dem Sofa weilen.

Schiefe aber schöne Tabelle

Gefeiert wurde im Haus der Fußballkulturen, Cantianstraße, Prenzlauer Berg. Ein architektonisch interessant gestaltetes Häuschen, unweit des Jahn-Sportparks (hat außer mir vermutlich niemanden interessiert). Direkt nebenan wurde Basketball gespielt (oder Streetball, falls es das noch gibt?), ein paar Schritte weiter Fußball, etliche Langstreckenläufer trabten verträumt über die Tartanbahn.

Beim FKO wurde gegrillt und getrunken, außerdem ein Flyer vorbereitet, auf dem die Kurve ihre Ablehnung gegenüber Investoren zum Ausdruck bringt. Zitat im Original:

„Wir Fans – Wir Mitglieder von Hertha BSC sind der Verein! Egal wer Geld in diesen Verein pumpt und verbrennt, Investoren werden es niemals sein!“

Immerhin vermag man auch beim FKO die Augen vor der Realität nicht zu verschließen, weshalb es weiter heißt (Zitat): „Aus der Situation, einen Investor im Verein zu haben, werden wir so schnell nicht herauskommen. Umso wichtiger ist der kritische Umgang mit dessen Aktivitäten … nur wir Fans (sind) der Verein …“ usw. usf.

Nichtabstieg in München (Olympiastadion) anno 2004

Die Leutchen schienen mir allesamt jut druff, wie man hierzulande so treffend sagt, allen Investoren zum Trotz. Vorfreude auf die neue Saison, Samstag geht die Reise los! Etliche Tickets fürs Düdo-Spiel wurden herumgereicht, die Spannung steigt, Fortuna lockt.

Mich hatten weniger Würste, Bier oder Pamphlete gelockt, als vielmehr ein Programmpunkt, den man unter Traditionspflege einordnen könnte. Zwei alte Haudegen, Manne und Helmut, beide Jahrgang Mitte/Ende 1950er, sozialisiert in Westberlin, sollten über Auswärtsfahrten aus den 70ern und 80ern plaudern.

Urlaubsutensilien

Ein paar nette Anekdötchen habe ich vernommen, die meisten drehten sich um die Widrigkeiten der ehemaligen Interzonen-Reisen, frei nach dem Motto, rin in die DDR, raus aus die DDR. Auch das „sportlich dunkelste Kapitel“ (O-Ton Manne) unserer wenig glorreichen Historie wurde nicht ausgespart, Herthas Abstieg in die Westberliner Amateur-Oberliga. Witzigerweise hätten ausgerechnet diese finsteren Jahre die Anhängerschar „am meisten zusammengeschweißt“, sagte Helmut und fügte hinzu: „Wir grüßen uns bis heute!“ Was für ein schönes Schlusswort, dachte ich mir, bin aufgestanden und gemütlich nach Hause geschlendert.