Freundschaft! So begrüßte man sich bei der FDJ, falls sich noch jemand erinnert. Die Blauhemden, staatliche Jugendorganisation der DDR, straff organisiert, mit Fahnenappell und eindeutigem Klassenstandpunkt, hergeleitet und wissenschaftlich bewiesen dank historischem Materialismus. Kann man alles nachlesen, z. B. im Internet.
Von derlei ideologisch aufgeladenen Verpflichtungen blieb ich als Westberliner Pflanze glücklicherweise verschont. Bildete ich mir zumindest bis vor wenigen Jahren ein. Dank der Freundschaft zwischen Herthanern und KSC-Fanatikern hat mich die Geschichte eingeholt. Die vielbesungene Fanfreundschaft hat zwar einen vergleichsweise profanen Hintergrund, wird aber mittlerweile mit ähnlich orthodoxer Litanei gepflegt. Ich weiß, wovon ich rede, ich war schließlich dabei – einer von fünftausend Auserwählten.
Damit hat es sich aber auch schon. Mein freilich nicht maßgebendes Urteil lautet: Die KSC-Kumpanei ist schön und gut, aber mitunter etwas anstrengend. Freundschaften wollen nämlich gepflegt sein, so was verpflichtet. So ähnlich wie Muttertag: Bloß keine Blümchen vergessen, sonst ist die Alte beleidigt! Ich mache jedenfalls drei Kreuze, dass die gefühlige Nummer für diese Saison durch ist.
Mit ihrem nicht ganz unverdienten Sieg haben die Badener (oder Badenser) zu allem Überfluss unsere letzten, zarten Aufstiegshoffnungen begraben. Danke auch dafür, ihr guten Freunde. Der Realist in mir hatte damit eh schon abgeschlossen, nur der Träumer klammerte sich bis zum Abpfiff ans Prinzip Fußballwunder. Ja, so binnick, so sind wir und so ist das Leben.
Auch wenn noch ein paar Spieltage ausstehen, ab sofort wird vorausgeblickt: Wer kommt, wer geht und vor allem: wo soll das neue Stadion hin? Einige dieser Fragen konnte unsere wackere Schar bereits gestern, während des rund zwölfstündigen Aufenthalts in den mobilen Räumlichkeiten der Deutschen Bahn AG, kurz anreißen. Fazit: Viel schlauer sind wir nicht geworden, aber zumindest das Luftschloss vom eigenen Stadion hat ein kundiger Kollege zerplatzen lassen. Und dennoch: Ich war, bin und bleibe ein eiserner Befürworter der Gevatter-Holst-Arena, wobei ich mich umstimmen lassen könnte Senatsmieter zu bleiben, wenn wir unseren Zuschauerschnitt von knapp fünfzigtausend halten oder besser noch steigern könnten. Stand jetzt wäre ein neues Stadion vermutlich ein hanebüchener Irrsinn, sofern wir den Tempel nicht von Elon X oder einem seiner Altruisten-Kollegen geschenkt bekommen.
Jawollo, ein Irrsinn! In etwa zu vergleichen mit meinem gestrigen Tagespensum: Morgens um drei raus aus den Federn, rin in Zug, Stadion, Brauhaus, wieder Zug, um schlussendlich um halb drei wieder ins Bett zu fallen. Dazwischen, zwischendurch und immer mal wieder ein Bierchen, nicht mehr ganz so exzessiv wie anno Ete Beer, aber dennoch reichlich übern Durst. Zumindest die Raucherei hab ich mir über die Jahre abgewöhnt, der jüngst verkündeten (Schein-)Legalität zum Trotz.
Ab sofort ist wieder Alltag angesagt, in dieser Spielzeit noch viermal. Der nächste wäre am Freitag, 18.30 Uhr, Olympiastadion. Hangover sexynine, kein Hass- aber auch kein Freundschaftsspiel, das macht die Sache erträglich.
GF Michael Preetz spielt nächste Saison mit den Zebras in der Regionalliga.
Junge Pioniere, seid bereit!