Die Rückkehr der langen Männer

Um die Überschrift gleich mal aufzulösen: Ja, ich hatte mich für lange Unterhosen entschieden. Goldrichtige Entscheidung, der April, dieses liderliche Luder, hat wettermäßig voll die Sau rausgelassen: Arschkalt und nass, die Sonne nur zur Deko.
Und Hertha so? Wie auswärts, nur mit mehr Dusel. Kaum, dass ich saß, rannte auch schon ein Hellgrüner auf Rune los, brachte die Pille aber nicht vorbei. Auch beim zweiten, dritten, keine Ahnung wievielten Male nicht. Die Jungs in blauweiß waren irgendwo, nur nicht da, wo sie hingehörn, aufm Platz. Ich war trotzdem relativ entspannt, hatte ja auf 3:1 für VfL Schummeldiesel getippt. War aber trotzdem nicht unfroh, dass Käptn Ibi mit seinem Doppelköpper einen kleinen aber feinen Strich durch meine Kicktipp-Rechnung gemacht hat. Schwamm drüber.
Laut Dardai fehlen noch zwei Siege bis Europa. Auf dem Papier scheint Darmstadt am lösbarsten, wobei das ja wieder auswärts wäre. So wie Bräme am nächsten Samstag. Wieder ein Gegner in grün, nur besser. Spricht nicht viel für uns, was ja wiederum kein Nachteil sein muss. Vielleicht gelingt auch was gegen Leverkusen am letzten Spieltag. Die gehören zur Kategorie Wolfsburch, sind eigentlich besser, aber irgendwie doch nicht. Aber letzter Spieltag war leider oftmals nicht unser Ding, sofern es noch um was ging. Fehlt noch Leipzsch, der Antitraditionalist. Da war doch was? Genau, nach dem Abpfiff im Olympi hat der Stadionsprecher noch ein paar Worte zum nächsten Heimgegner verloren. Dachte erst, das übliche, gegen wen und wann und so, ich war schon auf dem Weg ausm Stadion. Habe dann doch noch was aufgeschnappt, irgendwas mit „aufbrausend seit 1892“. Aha, dachte ich, Herthas freche Digitalkommunikationsstrategie findet jetzt auch im Stadion statt. Gab von Zuschauerseite keine nennenswerte Reaktion, damit hatte wohl keiner gerechnet, vielleicht hat auch keiner hingehört.
Mir fiel nur auf, dass der Tonfall des Stadionsprechers zu der offenbar klassenkämpferisch angehauchten Ansage nicht recht passen wollte. Ist ja Geschmackssache, aber wie ich so darüber sinnierte, kam mir der Gedanke, dass ich im Grunde keine Meinung zu unserem Sprecher habe. Er lässt mich ziemlich gleichgültig. Ob das gut ist? Besser, als wenn ich ihn total scheisse finden würde, schon klar, aber irgendwie sollte er mehr in meinem Hirn verankert sein, denke ich. Ich weiss noch nicht mal, wie der Typ heißt. Der von Union ist gleichzeitig der Vereinssprecher, Christian Arbeit, der vom HSV ist Lotto King Karl, den kennt man auch. Sonst kenn ich keinen. Unseren sollte ich kennen, ich kenne aber nur seine Stimme. Ist das gut, ist das schlecht, ich weiss es nicht.
Frank Zander würde mir gefallen, aber der hätte auf den Job bestimmt keinen Bock. Unser Stadionsprecher erinnert mich ein bisschen an Adi, nicht optisch, eher vom Auftreten her. Adi war ein Moderator aus dem DDR-Fernsehen, Mach mit, machs nach, machs besser, so hieß die Sendung, immer sonntags um 10 Uhr, Pflichtprogramm für Pioniere. Da traten Schulklassen in lustigen, teilweise wehrsportähnlichen Spielen gegeneinander an. Adi war nicht alleine, neben ihm moderierte ein junges Mädel, Modell FDJ-Backfisch, allerdings wechselten Adis Assistentinnen von Zeit zu Zeit. Adi blieb immer derselbe, Adi wurde nie ausgetauscht. Erst irgendwann nach der Wende war er weg vom TV-Schirm. Adi war immer flott, immer munter, allzeit bereit. Ich mochte die Sendung, Adi fand ich seltsam, ich zerbrach mir den Kopf, in welcher Beziehung er zu seinen Assistentinnen stand. Warum wurden die ausgetauscht, warum durften die Girls nicht mir Adi alt werden? Sollte unserem Stadionsprecher eine nette Assistentin zur Seite gestellt werden? Könnten wir uns die überhaupt leisten, wo doch das neue Stadion so teuer wird? Fragen über Fragen, Hertha bleibt eine Baustelle.