Ob das so eine gute Idee war, die Mannschaft zwei Tage vorm Spiel gegen Fränkfört zu den Weihnachtsfeiern der Fanclubs abzukommandieren? Die Frage hat zumindest Kollege Weiser aufgeworfen, der bei uns zu Gast war. Ich habe das am Freitag nicht so ernst genommen, am Sonntagabend schon mehr. Aber ich will mich nicht beklagen, wir haben uns jedenfalls sehr gefreut, den jungen Mann mal aus der Nähe bestaunen zu dürfen. Sympathisch waren sie bislang ja alle, von Marcelinho bis Baumjohann – oder war das davor Cigerci? Egal. Meister Mitch jedenfalls hat das Procedere sehr professionell durchexerziert: Fragen beantwortet, Autogramme geschrieben, für Fotos posiert, sich geduldig unsere Sorgen und Nöte zu Herzen genommen. Ziemlich genau zwei Stunden lang, würde ich mal tippen. Ziemlich glaubwürdig klang seine Aussage, dass städtemässig über Berlin nix mehr geht, zumindest in Schland, woraus ich persönlich schließe, dass ein Wechsel entweder nach England oder Spanien am wahrscheinlichsten erscheint. Jedenfalls irgendwo, wo man problemlos vegane Speisen serviert bekommt. Meinen Segen hat er, obgleich ich mich freuen würde, wenn er es noch ein bisschen länger hier aushalten würde. Ist ja gerade mal 23 Jahre jung, der Bursche.
Habe heute erst gesehen, dass der Abpraller, den Kevin-Prince anschließend humorlos ins Netz gedroschen hat, von Mitchell serviert wurde. Das verleiht seiner Aussage, von wegen fragwürdige Weihnachtsfeierpflicht vorm Spiel, zusätzliche Brisanz. Aber wir sind hier ja nicht beim Boulevard, Alkohol war ebenfalls nicht im Spiel, auch keine Bouletten oder ähnlicher Käse. Nun denn, siebzehn Punkte, das erscheint immer noch beruhigend, auch wenn ich nach dem Spiel eher nach unten schiele, als gebrannter Herthaner sowieso. Und sowieso, ohoho, ohoho.
Union hatte ich ja immer als eher entspannten Verein wahrgenommen, entspannter jedenfalls, als wir es sind. Diese meine Wahrnehmung hat sich heute schlagartig verändert. Den sanftmütigen Herrn Keller mal eben freizustellen, nach nicht einmal der Hälfte der Saison, bei, wie ich finde, durchaus akzeptablem Rückstand auf die Fleischtöpfe, das hat mich einigermaßen sprachlos gemacht. Wenn Dickdarmstadt den Fringser gefeuert hätte, das wäre nachvollziehbarer gewesen, von mir aus auch, dass sich Drsdn von Kellers Vorvorgänger oder Vorvorvorgänger verabschiedet, aber als aussichtsreicher Vierter einen durchaus geschätzten Übungsleiter abzuservieren – mit dem man angeblich vor Kurzem sogar noch großzügig verlängern wollte – das wirft ein mir bislang unbekanntes Licht auf den Köpenicker Kultklub. Aber ich bin ja bei solcherlei Dingen gerne mal ein bissel naiv.
Ganz im Gegenteil zu jenem jungen Fan, der am Sonntag im Olympi von einem Rundfunk-Medienpartner der alten Dame zum Halbzeit-Interview gebeten wurde. Das passiert wahrscheinlich regelmäßig, war mir bislang nur nicht aufgefallen, weil wir meistens vor Block K rumlungern. Der war allerdings diesmal geschlossen, wegen der pösen, pösen Eintrachtler. Deswegen standen wir diesmal zufällig und fast ziemlich exakt neben der grellbunt ausgeleuchteten rs2-Bühne, während der Moderator ein paar Dahergelaufene zum Spiel befragte. Darunter besagten Jungspund, der einen ziemlich ausgebufften Eindruck hinterließ. Zunächst hätte ich den Kerl eher als altklug, vorlaut oder frech tituliert, weil er rotzig meinte, Hertha würde das Spiel nie und nimmer gewinnen, maximal Unentschieden, wahrscheinlicher aber sei eine 1:2-Pleite. Dass der vorlaute Bengel tatsächlich Recht behalten sollte, fand ich im Nachhinein äußerst bemerkenswert. Kann natürlich der Zufallstreffer eines unverbesserlichen Neunmalklugs gewesen sein, aber vielleicht hat der kleine Stinker tatsächlich einen siebten Sinn fürs Fußballspiel, wer weiß das schon. Ich für meinen Teil tippe fürs nächste Auswärtsspiel (Östersund schenke ich mir) ein Unentschieden, hoffe insgeheim auf einen knappen Sieg, befürchte allerdings eine wie auch immer geartete Niederlage. Jedoch, ich lass mich gerne überraschen.