Herzlich willkommen, auch von (Hertha)unser Seite, Sandro Schwarz! Zur Feier des Tages will ich mal keine Absonderlichkeiten beleuchten oder mich in selbstgefälliger Süffisanz ergehen, sondern ein wenig Sachlichkeit walten lassen. Im wirklichen Leben führe ich mitunter auch ernstzunehmende Gespräche, Ende Februar 2019 etwa – so ein Zufall – mit unserem künftigen Wundercoach. Damals war er noch Trainer der 05er. Das Interview erschien in der guten alten FuWo, als Appetizer zum Heimspiel gegen Mainz. After-Spoiler: Wir siegten 2:1, danach setzte es für die Alte Dame eine Pleitenserie von fünf Spielen und zwei Unentschieden. Am Ende der Saison 18/19 landeten beide Klubs schiedlich, friedlich mit jeweils 43 Punkten auf den Plätzen 11 (Hertha) und 12 (Mainz). Unser Pal musste am Ende der Saison seinen Hut nehmen, Sandro verlor im November seinen Job.
In Mainz geboren, als Profi beim FSV (1997 – 2004), Nachwuchstrainer der 05er (2013 – 2015 U19, dann U23, ab 2017 Bundesliga) – mehr Identifikation, als Sandro Schwarz (40) für seinen Verein mitbringt, ist kaum möglich. Nach einer schwierigen ersten Spielzeit als Cheftrainer (Platz 14) hat der Sohn deutsch-italienischer Eltern das Team mit Erfolg erneuert und ins gesicherte Mittelfeld geführt. Zur Belohung wurde sein Vertrag vergangene Woche bis 2022 verlängert, am Samstag (15.30 Uhr, Olympiastadion) hofft Schwarz, das in ihn gesetzte Vertrauen mit einem Erfolg bei Hertha BSC zu rechtfertigen.
Fußball-Woche: Herr Schwarz, haben Sie in der Champions League Bayern München oder Liverpool und Jürgen Klopp die Daumen gedrückt?
Sandro Schwarz: „Ich kenne beide Trainer sehr gut, das Spiel habe ich aber mehr unter sportlichen Gesichtspunkten betrachtet. Das war von beiden Seiten ein sehr intensiv geführtes Spiel, ich fand es sehr interessant.“
Ein Finale zwischen Liverpool mit Klopp und Paris mit Tuchel würde auch ein Schlaglicht auf den FSV Mainz 05 werfen?
Schwarz: „Wenn zwei ehemalige Trainer von Mainz 05 das Champions-League-Finale bestreiten würden, das hätte natürlich was. Aber das sind Dinge, mit denen ich mich weniger beschäftige.“
Ist es eher Bürde oder Ansporn, derart prominente Trainer als Vorgänger zu haben?
Schwarz: „Wie alle wissen, dass die beiden herausragende Arbeit abgeliefert haben. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass ich tagtäglich daran gemessen werde. Ich versuche meinen eigenen Weg zu gehen, als Mensch und als Trainer. Wir haben jetzt über einen sehr langen Zeitraum eine Spielidee bei Mainz 05 entwickelt, die versuchen wir weiter voran zu treiben.“
Auffällig ist, dass Mainz seine Trainer gerne aus dem eigenen Nachwuchs rekrutiert. Liegt darin das Erfolgsgeheimnis der 05er?
Schwarz: „Kann sein, wobei sich daraus keine Garantie ableiten lässt. Wichtig ist, einen Leitfaden für den gesamten Klub zu haben und Situationen richtig einzuschätzen. Es gibt immer mal wieder schwierige Phasen. Dann gilt es, die Dinge inhaltlich richtig zu bewerten und nicht aus der Emotion heraus.“
Sie sind seit gut anderthalb Jahren Cheftrainer. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Schwarz: „Das erste Jahr war kein Zuckerschlecken. Es gab Phasen, in denen wir keinen guten Fußball gespielt haben, wo es auch tabellarisch sehr kritisch war. Trotz allem muss ich sagen: Wenn ich mir den Verlauf des ersten Jahres hätte wünschen dürfen, dann genau so. Wenn man aus einer schwierigen Phase gemeinsam rauskommt, nimmt man daraus mehr für sich mit, als wenn alles super läuft und alle schweben auf Wolke sieben.“
Mainz hat Spieler wie Diallo, Muto und Serdar mit Gewinn verkauft, dafür konnten Leute wie Boetius oder Mateta für relativ kleines Geld geholt werden. Welche Kriterien waren für Sie bei der Personalsuche entscheidend?
Schwarz: „Der Charakter, wobei ich das Wort an sich schwierig finde. Sagen wir lieber, Verhaltensweisen, die ein Spieler mitbringt. Also, wie verhält er sich in der Gruppe, in bestimmten Situationen auf dem Platz, was für einen Eindruck vermittelt er im persönlichen Gespräch? Ich meine damit gar nicht mal nur fußballerische Themen, sondern auch, was das Leben im Allgemeinen betrifft. Wichtig ist, dass die Jungs wissbegierig und lernwillig sind, um ihre eigenen Grenzen nach oben zu schrauben und dass sie sich komplett mit diesem Verein identifizieren. Sie müssen bereit sein, alles dafür zu tun, um erfolgreich zu sein. Total professionell sein, aber auch Lebensfreude ausstrahlen, das gehört bei Mainz 05 beides zusammen.“
Läuft alles nach Plan, werden die Spieler schnell interessant für andere Klubs. Reizt es Sie nicht, eine Mannschaft auch mal über einen längeren Zeitraum zu entwickeln?
Schwarz: „Mir sind die Umstände ja bewusst, genau darin besteht die Herausforderung. Das ist für uns als Verein die Nische, Spieler zu entwickeln, die im Optimalfall nach zwei, drei Jahren die nächste Stufe erreichen. Das ist der Bereich, in dem wir uns bewegen und deshalb werden wir auch immer den einen oder anderen Spieler verlieren, ganz klar.“
Nicht nur die Mannschaft, auch der Verein wurde in den letzten Jahren modernisiert, Stichwort Stadionneubau und Vereinsreform. Die Begeisterung darüber hielt sich bei den Fans in Grenzen.
Schwarz: „Ja, aber das ist kein spezifisches Mainzer Problem. Da sind auch gesamtgesellschaftliche Dinge zu berücksichtigen. Es ist an fast allen Standorten schwieriger geworden, ein Stadion voll zu bekommen. Wichtig ist, auch in schwierigen Situationen Kontinuität und Ruhe zu bewahren. Das zahlt sich aus, wie man in dieser Saison bei uns sieht.“
Hertha plant ebenfalls ein neues Stadion. Würden Sie das Olympiastadion vermissen?
Schwarz: „Das hat natürlich Tradition, wobei ich die Argumente für ein neues Stadion auch nachvollziehen kann. Das Olympiastadion ist relativ weitläufig, es gibt immer ein Pro und Contra. Und so tief stecke ich auch nicht in der Materie. Ein Neubau bzw. ein Ortswechsel, so wie wir ihn hatten, ist immer eine Herausforderung.“
Wenn Mainz kommt, wird die Schüssel vermutlich nur halbvoll sein. Wie empfinden Sie Auswärtsspiele bei Hertha?
Schwarz: „So viel habe ich ja noch nicht erlebt (lacht). Es war gerade mal eins und das fand ich super, weil wir drei Punkte geholt haben.“
Welche Hertha-Spieler finden Sie am spannendsten?
Schwarz: „Zunächst mal muss ich sagen, dass ich es herausragend finde, was Pal dort macht. Das ist eine total interessante Mannschaft, die nicht umsonst auf Tuchfühlung mit den oberen Tabellenplätzen geht. Hertha spielt sehr strukturiert, sie verteidigen gut und bringen im Spiel nach vorne ihre Geschwindigkeit ein. In Berlin wird sehr gute Arbeit geleistet.“
Beide Klubs stehen tabellarisch dicht beieinander. Erwarten Sie ein Duell auf Augenhöhe?
Schwarz: „Hertha verfügt schon nochmal über andere Voraussetzungen, als wir. Das wird eine schwierige Aufgabe. Trotzdem: Wir trauen uns zu, mit einer sehr guten Leistung dort auch ergebnistechnisch was zu holen.“