Aus Omas Kaffesatz

Weil es an sportlichen resp. fussballerischen Neuigkeiten mangelt, überschlagen sich die Gazetten und sonstigen Hertha-Feuilletons mit Rück-, Aus- und sonstigen Blicken. Die meisten sind durchaus frohgemut. Wen wunderts, angesichts unserer formidablen, never ever für möglich gehaltenen Hinrunde. Weil es nun mal alle tun und ich nicht immer extravagant aus der Reihe tanzen will, habe ich auch mal einen schüchternen Blick ins Herthaunser-Archiv gewagt.
Es wird niemanden überraschen, dass vor einem Jahr die Aussichten nicht gerade zum Frohlocken einluden. Es war schließlich Januar, die Tage kurz, der Himmel grau. Luhukay war passend dazu noch Trainer, die ersten Spielchen gegen Drittligisten gingen in die Hose, aber das waren ja nur Tests. Interessanter war da schon die Nachricht, dass die Deutsche Bahn ihren Abgang für Sommer angekündigt hatte. Es wurde munter spekuliert, wer sich die Rechte für Herthas schnieke Brust sichern würde. Von BER bis Kindl oder Dubai-Scheich wurden etliche Kandidaten gehandelt. Es kam wie so oft ein bissle anders.
Aber erstmal kam der große Knall. Der Auftakt gegen Bremen ging aber sowas von nach hinten los. Für Boss Jos wurde es eng und enger, nach Bayer ging nix mehr. Au wei und oh weh. Und dann kam Pal. Und mit ihm ein großes Fragezeichen, aber immerhin auch Rainer Widmayer. Der Tagesspiegel gurrte das Lied von der profillosen Hertha, ich traute dem Rekordspieler nicht so recht übern Weg. Trotz Zwonull-Auftaktsieg in Mainz. Danach eine krasse Pleite im Heimspiel gegen Freiburg. Mein persönlicher Tiefpunkt. Ich wollte schon alles hinschmeissen, geht als gelernter Fatalist leider nicht. Erst der Lastminutesieg gegen Augsburg stimmte mich milder. Mein damaliger Vorschlag: „Lasst den Pal die Saison retten, dann tritt er wieder ins hintere Glied und macht seine Ausbildung fertig. Von mir aus Ungarn im Nebenjob. Micha Preetz (oder wer auch immer) sucht derweil jemanden, der sich für Widmayer ins Rampenlicht stellt und Samstags telegen aufs Spielfeld starrt.“

Eine ähnliche Idee wurde dann ja auch umgesetzt, aber noch war nix gerettet. Wie auch, war ja erst Ende März. In Stuttgart gab es sieben Minuten Nachspielzeit, kann sich daran noch jemand erinnern? Nullnull gegen einen Mitkonkurrenten, das war eine große Sache damals. Dann ein Sieg beim HSV, ein Remis gegen Schaaaalke. Und meine persönliche Abrechnung mit dem anbiedernden Gelsenkirchen-Gesabbel einiger volkstümelnder Funktionäre.
Weiter mit Paderborn, wiedermal glanzlos, dafür gewonnen. In meinem Blogpost thematisiere ich die Ultra-Postille „Tagebuch der Alten Dame“. Würde ich wieder lesen, wenn mir eins in die Hände fiele. Es folgt eine Auswärtsfahrt nach Hannover mit anschließender Disko-Exkursion. Und der Ausblick auf Kölle und sieben Spiele ohne Niederlage. Das es so etwas schon gab, kaum zu glauben. Das Heim-Nullnull gegen Kölle muss ganz okay gewesen sein, wir haben anschließend noch gut gefeiert. Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, nach dem Spiel schnell nach Hause, ich war gesundheitlich etwas malade. Daraus wurde nix. Eine Überraschung in München blieb ebenfalls aus, dafür denke ich bereits an meinen persönlichen Saisonabschluss in Leicester. Ich hoffe und bete, dass wir bis dahin gerettet sind. Ein kühner Traum, wie sich später herausstellen sollte.
Und ich hatte mir ordentlich was weggeholt. Gegen Bayern wars nix mit Bierchen. Wieder ne Krise bei mir, nach einer Niederlage in Dortmund. Ich überlege ernsthaft (!) ne Saison auszusetzen. Hertha-Abstinenz, sozusagen. Entscheide mich aber dagegen, weil ich ja sonst ne Riesenüberraschung verpassen könnte (oha!).
Im richtigen Leben ging das große Zittern los. Ein erneutes Remis gegen Frankfurt und anschließendes Rätselraten inkl. Wechselbad der Gefühle. Nein, Hoffenheim, da mussten wir noch durch. Da wo keiner von uns hinwollte.
Dann wurde doch noch alles gut. Dass es so gut werden würde, wie jetzt, daran war natürlich nicht zu denken. Wobei mein letzter Post-Season-Blogspot schon etwas von der neuen Zeit erahnen lässt. Aber lest selbst:

„Überhaupt, unser Stadion! In Europa kennt es spätestens jetzt jede Sau. Nicht nur WM-Finale hat es erlebt, jetzt sogar Champions-League-Glorie. Und das 85 Jahre nach unserer ersten Deutschen Meisterschaft. Die andere Alte Dame hat zwar verloren, das war vorauszuahnen, aber dafür saßen die Sieger in der Ostkurve. So wie schon beim DFB-Pokalfinale, wenn das kein gutes Omen ist. Wann kommt nochmal der neue Spielplan raus?“

Auf eine göttliche Rückrunde 15/16!