Apropos pipapo

Nach Kalous 2:2 war ich guten Mutes, dass wir das Ding komplettamente drehen, aber das wär vielleicht etwas zuviel des Guten gewesen. Nun gut, Meckern ist dennoch nicht angesagt, nach nullzwo gegen die Großkopferten innerhalb von fünf Minuten zurückkommen, das langt für ne Länderspielpause. Nicht zuletzt, weil es vor allem dem Gegner geschuldet war, machen wir uns mal nix vor, die Bye-Byern waren kaum mehr ein Schatten vergangener Glanztage. Früher hab ich noch jedesmal gezittert, wenn Robben mit dem linken Füßchen nach innen zog, heuer stellt sich nur noch die Frage, auf welch wundersame Weise der alte Arjen das Ding diesmal versemmelt. Sein ehedem kongenialer Partner Franckery ebenso, da scheint nix (oder nur wenig) vom einstigen Kraftpaket übrig. Dass der freche Franzos zu allem Überfluss unglücklich auf die Pille latscht und sich dabei obendrein eine Haxensehne reisst, tat auch mir ein wenig weh. Schnelle Besserung, Monsieur.
Von dem nicht gegebenen Elfer schweigen wir mal stille, aber eins ist nach sieben Spieltagen wohl klar: Videobeweis und Hertha, das passt nicht zusammen. Wahrscheinlich existiert eine geheime DFB-Mafia-Anweisung: Elfer gegen Hertha werden im Zweifel gepfiffen, Elfer für die Alte besser nicht. So what, es langt ja auch so, zumindest fürn Punkt gegen die einstmals beste Mannschaft des Universums.
Uns sonst so? Icke mal wieder ein ganzes Spiel in Block 40 verbracht, meiner neuen Heimat. An den Dauersänger links hinter mir hab ich mich fast gewöhnt, dafür fiel am heiligen Sonntag ein Gast zur rechten leider etwas unangenehm aus der Rolle. Dieser hatte offensichtlich eine Überdosis Alk intus und bediente sich bei seiner Ansprache an diverse Spieler des Gegners übelstem Gossenjargon. Ums mal sehr verklausuliert auszudrücken. Ich weiß nicht, wie und warum, aber irgendwann eskalierte die Situation in Richtung Handgreiflichkeit, mit ein paar Besuchern, die in der Reihe vor uns hockten. Diese Herrenriege war nicht so ganz eindeutig als Herthaner auszumachen, aber meines Erachtens auch nicht eindeutig pro Bayern, eher so neutrales Billigticketabgreiferpublikum.
Wie dem auch sei, ein Wort ergab das andere, ein wenig wurde auch schon mit den Fäusten gefuchtelt. Im Verbund gelang es uns, die Herrschaften einigermaßen zu beschwichtigen, richtig Ruhe war aber erst, nachdem ein Ordner mit Autorität zwei Streithähne zum Schlichtungsgespräch bat.
In Hälfte zwei, es stand schon zwei zu zwei, hat sich der Suff-Brüller rechts neben mir sogar persönlich bei den Neutralos entschuldigt, das soll nicht unterschlagen werden und verdient ein Sonderlob. Wobei ich mir denken könnte, dass die Herren vor uns, so sie wirklich nur mal kieken wollten, wie die Atmo im Olympi so ist, nach diesem Vorfall von künftigen Besuchen eher Abstand nehmen.
Ich kanns mir kaum erklären, aber ein latent angeschickertes Publikum scheint tatsächlich nicht jedermanns Sache zu sein, wobei die Tatsache, dass das Stadion diesmal nicht ausverkauft war, wohl andere Ursachen hat. Womit ich zum letzten Punkt meiner allseits beliebten Kolumne komme, ein Punkt, der ebenso, wie der gegen Bayern errungene, nicht zu unterschätzen ist. Herrschaftszeiten, aufgepasst: Das ist nämlich wirklich mal eine bemerkenswerte Entwicklung. Schon letzte Saison gab es Karten fürs Bayernspiel noch fast bis Ultimo (Egmonte berichtete). In den Jahren davor, so meine ich mich dunkel zu erinnern, waren die Karten jeweils in Rekordzeit vergriffen. Woran liegts also?
Ich bin nicht der erste, der diese Frage stellt, aber ich habe immerhin ein paar Antworten. Und eine Meinung obendrein, das gehört sich heute so. Meine Meinung: An Hertha liegts eher weniger, würde ich mal behaupten, denn: Zu der Alten kommen immer die gleichen Hanseln, plusminus fünftausend, ich weiss, wovon ich rede, gehe schließlich selbst zu (fast) jedem (Heim-)Spiel, bei Wind und Wetter. Und Bayernfans in Berlin und Umgebung werden sich den mutmaßlich einzigen Auftriff ihrer Millionarios auch nur ungern entgehen lassen. Oder setze ich da zuviel voraus?
Hat also der gemeine Eventfan womöglich die Schnauze voll, ist Fußball etwa nicht mehr hip genug? Oder liegt der Grund darin, dass Hertha seit einiger Zeit rigoros gegen Weiterverkäufer vorgeht? Oder lags diesmal wirklich am Wetter? Ich habe einen Tag vorm Spiel eine Bekannte getroffen, die meinte, 40 Euro fürs billigste Ticket seien ihr schlicht zu teuer. Kann ich selbst als Hertha-Junkie nachvollziehen. Ich weiß auch von Leuten, die sich neuerdings ein anderes Hobby zugelegt haben, Herthaner übrigens (womit mein Eingangsargument leicht bröckelt, aber druff jeschissen). Die interessieren sich schon noch für Ergebnis und Tabelle, aber wollen und können sich nicht jedesmal das Wochenende einfach so um die Ohren schlagen, mit allem Pipapo, ihr wisst schon, was ich meine, hüstel, räusper, schluck.
Apropos Pipapo: Eigentlich piepegal, ob nun einundsiebzigtausend oder vierundsiebzigtausend, aber wenn Dortmund kommenden Winter die olympische Hütte voll machen sollte, würde ich mir an Onkel Dieter sein Bruder mal Gedanken machen, ob so eine nationale Dominanz auf Dauer wirklich gut fürs Geschäft ist. Wenn nicht, überleg ich mir was Neues. Der Blog hier bringt zwar kein Geld, aber er will dennoch gefüllt sein. Such is fucking life.