Aber sonst gehts uns gut

Ich geh nur alle jubel Jahre zur MV, eigentlich nur, wenn was Relevantes ansteht. Zuletzt war das nach dem Düsseldorfer Relegationsschmu, als das empörte Fußvolk nach rollenden Köpfen dürstete. Habe seinerzeit pro Preetz bzw. pro Antifarmer gestimmt, damit lag ich goldrichtig, wie die Entwicklung der letzten Jahre eindeutig bewiesen hat. Ja, ja, gibt natürlich auch diejenigen, die bis zum jüngsten Tag eisern die Meinung verfechten werden, ohne MP wären wir jetzt schon zweimal hintereinander Champions League Sieger geworden, aber die muss es ja auch geben.
Dienstag stand eigentlich nix entsprechendes auf dem Programm. Ich hatte zufällig Zeit und dachte mir ganz frisch-fromm-fröhlich, kiekste mal, was fürn neues Trikot wir demnächst tragen, vielleicht wird ja auch wie zu seligen Onkel-Dieter-Zeiten der eine oder andere Megastar präsentiert, außerdem war ich noch nie im sagenumwobenen CityCube. Stadtwürfel, bescheuerter Name, seltsames Bauwerk. Soll wahrscheinlich funktional sein, womöglich sogar multifunktional. Soll hier nicht mein Thema sein.
Ach ja, und die große Stadiondiskussion stand natürlich zur Debatte, wobei mich das ziemlich kalt lässt, solange Kreti, Pleti und der Senat ihr Plazet noch nicht abgegeben haben. Aber seit der Name Ludwigsfelde in den Ring geworfen wurde, sind ganz viele ganz, ganz aufgeregt. Und sind wütend und kriegen sich gar nicht mehr ein und so weiter. Der Wut-Herthaner als solcher neigt dann ja leider zu Kurzschlussreaktionen. Ich erinnere mich, war leider nicht dabei, weil noch zu jung, dass in den 60er Jahren ein übereifriges Mitglied bei einer Versammlung laut rausposaunte, dass das mit den übertrieben hohen Handgeldern aus schwarzen Kassen ja wohl nicht angehen könne. Da blieb der DFB-Mafia leider nix anderes übrig, als ein Verfahren gegen die Alte einzuleiten, obwohl vorher schon alle wussten, dass das m.o.w. alle so machen. War nur keiner so doof, sich in aller Öffentlichkeit selbst zu bezichtigen.
Dieser Fall hängt glücklicherweise wesentlich niedriger, es ging um einen Antrag (bzw. deren zwo), dessen/deren Inhalt kurzgefasst lautet: Ludwigsfelde, nein danke! Allerdings ohne „Bitte“ und „Danke“. Das Ding war natürlich nicht satzungskonform, da waren die Satzungsarchitekten einstmals vorausschauend genug, solch spontanen Sabotageabstimmungen einen juristischen Riegel vorzuschieben. Trotzdem wollten die Bosse die aufgebrachten Wutmitglieder nicht so offensichtlich vor den Kopf stoßen, weßhalb die Anträge offiziell als Empfehlung angenommen und von der anwesenden Mehrheit abgenickt wurden. Das ganze Prozedere hätte man im Grunde relativ schnell über die Bühne bringen können, aber wann hat man schon mal die Gelegenheit, den hohen Herren die Meinung live und ohne zwischengeschaltete Sozialmedien um die Ohren zu ballern?!
Es zog sich dann auch entsprechend und unser aller Präsi hatte auch sichtlich Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. Wobei ich Antifarmer hoch anrechne, dass er sich nicht allzuviel Mühe macht, seinen Gemütszustand zu verheimlichen. Er fläzt sich dann in seinen Sessel, sackt ein bisschen zur Seite, dass man fast Angst haben muss, er rutscht gleich vom Stuhl. Ist aber nicht so. Obwohl enervierend lang immer wieder dasselbe vorgetragen wurde („Nein, wir wollen nicht nach Ludwigsfelde, nie und nimmer, nein, nein und nochmal nein und das in Stein gemeißelt“) blieb mein Präsidentenkollege trotzdem recht gefasst, zumindest wenn er das Wort ergriff. Als das Thema Ludwigsfelde endlich abgeerntet war und der Boss seine Rede zur Lage des Vereins vortragen wollte, erhob sich die Anti-Brandenburg-Fraktion demonstrativ von ihren Schalensitzen und polterte nach draußen. Ach, herrjemineh. Und tschüss.
Meine Position zu dem Gezeter will ich nicht verheimlichen: Ich war gegen den Antrag, gegen alle beide, nicht weil es mich ins schöne Ludwigsfelde zieht, sondern weil mir diese ganze künstliche Aufgeregtheit so kropfartig unnütz erscheint. Mir hat zudem missfallen, dass die Fraktion der Bulettenberliner bockig wie pubertierende Wohlstandskinder aufgetreten ist. Kein guter Stil, da lege ich mittlerweile Wert drauf, auch wenn ich hier hin und wieder Fäkalausdrücke gebrauche. Ist immerhin ein Blog, das muss sich ja irgendwie bemerkbar machen. I still believe in Anarchy. Zumindest im Internet, im Blue-White-Net wenigstens.
Davon abgesehen muss man leider auch zugeben, dass es der Vereinsführung in letzter Zeit grandios gelungen ist, das Fanvolk zu verprellen. Die Kommunikation ist eindeutig gestört, allerdings habe ich zu wenig Einblick, um die wahren Hintergründe klar benennen zu können. Nur an pinken Trikots wird das nicht liegen. Das hat mir ein wenig zu denken gegeben, ich dachte nämlich, was wäre wohl gewesen, wenn wir sportlich so abgeschnitten hätten, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre? Man vermag es sich leicht vorzustellen, wenn man sich jenen Herrn in Erinnerung ruft, der sich bei der Aussprache ans Pult stellte und die letze Saison, die immerhin mit der Euroquali endete, so dermaßen penetrant und penibel ausführlich madig machte, dass Kollege Elms und icke fluchtartig den Saal verlassen mussten.
Dass ich trotzdem mit einem einigermaßen guten Gefühl nach Hause (nur nach Hause!) gehen konnte, lag einzig und allein am Vorsitzenden der Kegelabteilung, der anregte, man könne ins neue Stadion doch eventuell auch eine Kegelbahn integrieren. Das einzige Mal an dem Abend, dass ich laut „Jawollo!“ gerufen habe. Mach ich sonst nie.